Indien rückte die letzten Tage ausnahmsweise mal in den Fokus der deutschsprachigen Medien. Während mein täglicher Indien-Pressespiegel (alle Print- & Online-Medien aus D-A-Ch) normalerweise im Schnitt ein bis zwei Meldungen zu Indien aufweist, gab es die letzten Tage täglich an die zwanzig Berichte zum Thema „Indien“. 95% bezogen sich auf die Formel 1 Premiere in Delhi.
Der Sport-Reporter als Indien-Versteher
Abseits vom sportlichen Geschehen, versuchten sich nun viele Journalisten als Indien-Kommentatoren und titelten zynisch „Schattenseiten der indischen Premiere“ (ORF), „Die Formel 1 in Indien zwischen Glanz und Gosse” (Die Welt), „Schiefe Dächer & welliges Pflaster“ (Motorsport Magazin), „Die Formel 1 irgendwo im Nirgendwo“ (Kurier), „Das ist der blanke Wahnsinn” (Die Presse), „Die Kühe haben immer Vorfahrt“ (News) beziehungsweise „Hat die Formel 1 in Indien etwas verloren?“ (Kleine Zeitung).
Solche Schlagzeilen können nur von Leuten kommen, die zum allerersten Mal in Indien sind. Natürlich hat Indien das größtmögliche Potential für Kulturschocks, und jeder Indien-Neuling ist die ersten Tage gefordert die intensiven Eindrücke und die extremen Kontraste zu verarbeiten und das komplexe System dieser diversifizierten Gesellschaft zu verstehen, aber derartige eindimensionale Pauschalaussagen, wie sie die letzten Tage in vielen Medien erschienen sind, sind wohl etwas zu kurz gegriffen um Indien in seiner Komplexität zu beschreiben und der europäischen Leserschaft zu präsentieren
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Natürlich ist Indien keine „Insel der Seeligen“ und Neu Delhi nicht Heiligenblut, aber entgegen den aktuellen Medien-Berichten hat Indien noch wesentlich mehr zu bieten als Menschen, die „keine Schuhe an den Füßen und kein Dach über dem Kopf haben. Sie betteln zwischen Autokolonnen. Sie sitzen mit teilnahmslosen Blicken auf Müllbergen mitten in der Stadt, an denen sie fast ersticken. Und sie schlafen teilweise sogar am Mittelstreifen von achtspurigen Schnellstraßen.“ (Kleine Zeitung)
Wir empfehlen jedem einen etwas tieferen Tauchgang in Indien als das Querlesen der Sport- & Society-Seiten, zum Beispiel unser Online-Medium www.indische-wirtschaft.de, auf dem wir jeden Tag aus Indien berichten – abseits des flachen Main-Streams.
Den Sport-Reportern empfehlen wir sich auf das sportliche Geschehen am Ring zu konzentrieren und nicht über etwas zu schreiben, wovon sie keine Ahnung haben. Sie schreiben ja auch nicht nur über die Farben und Werbeaufkleber der Formel 1-Boliden, sondern interessieren sich für das was unter der Motorhaube steckt.
(Ein Kommentar von Wolfgang Bergthaler)
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