IW-Gründer Stefan Mey im Interview

(aufgezeichnet von Wolfgang Bergthaler, in Bangalore)

Wieso hast Du 2009 diesen Blog „gegründet“. Was war Deine Motivation?

Ich bin 2008 im Rahmen eines Urlaubs in Bombay gesessen und habe in mein Tagebuch geschrieben: „Irgendwann möchte ich hier leben – aber nicht als Hippie-Aussteiger, sondern beruflich.“ Nachdem ich Wirtschaft studiert hatte, wollte ich somit mein Wissen zur indischen Wirtschaft durch das erweitern, was ich am besten kann: Schreiben. Also registrierte ich die URL www.indische-wirtschaft.at, die nicht nur als Spielwiese für mich diente, sondern mich auch in der Community bekannt machen sollte.

Zwei Jahre später bist Du nun in Indien. Was ist dazwischen passiert?

Viel. Sehr viel. Wolfgang Bergthaler habe ich als Partner für dieses Projekt gewonnen, und viele spannende Leute kennen gelernt. Wir haben recht viel geschrieben, das Design vor ein paar Wochen radikal verbessert
. Anfang 2011 habe ich vom „Festival of India“ in Wien berichtet, kurz darauf veranstaltete „Indische Wirtschaft“ das „IndiaCamp“ – das erste Indien-Barcamp Österreichs. Man kann sagen, aus einer kleinen Idee ist eine echte Institution in der Indien-Community geworden. Das macht mich stolz.

Und was treibst Du hier?

Hauptsächlich essen, vor Monsunschauern flüchten und im Stau stehen. Aber abgesehen davon: Direkt vor Ort spannende Leute treffen, Konferenzen besuchen und Projekte besichtigen – und über all diese Dinge schreibe ich dann.

Nun bist Du schon einen Monat in Indien. Wie würdest Du die ersten vier Wochen beschreiben? Was hast Du erlebt? Und wie würdest Du das Lebensgefühl hier beschreiben?

Jeder Tag ist ein Abenteuer. Indien fordert Dich permanent, und das ist toll. Es kann sein, dass Du dich ewig über irgendwelche Kleinigkeiten wie überteuerte Rikschafahrten und um neun Stunden verspätete Züge ärgern musst – und immer dann, wenn das Fass kurz vor dem Überlaufen ist, passiert etwas tolles: Dann kommt ein netter Mensch vorbei, oder Du siehst eine traumhaft schöne Landschaft. Die Beschreibung des indischen Lebensgefühls würde wohl den Rahmen eines Interviews sprengen… was ist dieses „Indien“ überhaupt? Hier treffen so viele Bevölkerungsschichten und Subkulturen aufeinander, dass sich pauschal überhaupt keine Aussage treffen lässt.

Was waren die drei Highlights für Dich (Events, Begegnungen, Erlebnisse etc.) in den ersten Wochen?

Vor allem der Besuch bei einer NGO, die Straßenkinder ausbildet – das war sehr berührend. Außerdem das Erleben verschiedener Coworking-Spaces in Bombay und Bangalore. Auch das erste Metallica-Konzert Indiens vergangenen Sonntag war wohl ein Erlebnis, das in die Geschichte eingehen wird. Und der Hackaton im Jaaga, bei dem in nur zwei Tagen komplette Apps programmiert werden sollten, war lustig. Nicht zuletzt gibt es dann noch Bollywood, extrem unterhaltende Rikscha-Fahrten, etliche kleinere Begegnungen und das tolle Essen… ups, das waren jetzt definitiv mehr als drei Punkte.

Was vermisst Du in Indien am meisten?

Die lieben Menschen, die mir in Wien so ans Herz gewachsen sind – zwar gibt es Email, Facebook und Skype; aber das ist bloß eine Ersatzbefriedigung. Echte Brunches im Wiener Museumsquartier sind Heroin, virtuelle Begegnungen bestenfalls Methadon.

Wie würdest Du deinen derzeitigen Beziehungsstatus mit Indien beschreiben?

Wir leben in einer offenen Beziehung. Anfang Oktober bin ich in Indiens Wohnung gezogen; aber sie weiß sehr genau, dass ich davor schon einige Liebeleien hatte, auch jetzt immer mal ein Auge auf Andere werfe – und unsere jetzige Beziehung hat ja ein Ablaufdatum; danach werde ich mich bestimmt wieder mit Anderen treffen – Miss America etwa, oder Ljepa Hrvaska. Auch Berlin ist zwar arm, aber sexy.

Wenn Du einen Monat Zeit hättest für eine große Reportage in Indien, mit welchem Thema würdest Du dich hier gerne intensiver beschäftigen? Und warum?

Gut, dass Du fragst. De facto arbeite ich gerade an einer spannenden Reportage – ein Thema, das zuvor noch niemand abgedeckt hat. Aber da nur ein Bruchteil meiner Projektideen am Ende wirklich das Licht der Welt entdeckt, möchte ich vorerst noch nicht über ungelegte Eier sprechen.

Auf welche Themen/Artikel dürfen sich unsere Leser in den kommenden Wochen freuen?

Wir haben in den vergangenen Wochen ordentlich Gas gegeben; „Indische Wirtschaft“ ist jetzt ein tolles Medium mit täglichem, meist tagsesaktuellem Content, spannenden Interviews und Reportagen. Dieses Niveau möchten wir auf jeden Fall halten – und dafür haben wir auch noch ein paar Asse im Ärmel.

Wie möchtest Du nach deiner Rückkehr im März weiter mit Indien verbunden bleiben?

In Indien lernt man sehr bald, dass Planen wenig Sinn macht, weil sich kurzfristig eh alles ändert, man mit Enttäuschungen ebenso leben muss wie man neue Chancen ergreifen kann. Alles fließt. Eine etwas konkretere Formulierung auf diese wohl kryptisch klingende Antwort lautet: Keine Ahnung. Ich werde mal die Augen offen halten – die Erfahrung hat gezeigt, dass das Leben so manch spannende Überraschung bereithält.

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Wolfgang Bergthaler

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