Das Start-up Eco-System im (echten) Silicon Valley ist hervorragend. Dort treffen Talent, Geld und Entrepreneurial-Spirit zusammen – also alles was es braucht um eine fette (Internet-)Firma hochzuziehen. Das Valley hat uns in den letzten Jahren Facebook samt Zynga, das iPad/Phone/Pod/ etc beschert, unser Leben damit verändert, aber nicht immer verbessert.
Unternehmer sollen Probleme (innovativ) lösen – alles andere ist meiner Meinung nach sinnlos. Für Kunden-Probleme entwickelt man „Solutions“, für soziale und gesellschaftliche Probleme gründet man neuerdings ein „Social Enterprise“
.
Nur welche Probleme lösen eigentlich Silicon Valley Start-ups?
Produkte und Services, die im Valley entwickelt werden, befriedigen fast ausschließlich Bedürfnisse an der Spitze der Maslow-Pyramide, dienen der Selbstverwirklichung. Oft auch darüber hinaus, Dinge, die die Welt nicht braucht. Ich frage mich oft: Wo ist der Mehrwert? Wo bleibt der Impact? Brauchen wir wirklich das zehnte location-based Social-Network für Katzenliebhaber, die hundertste e-commerce Group Buying Site für Hundefutter oder gar die tausendste App für verrückte Vögel in der Cloud?
Da stell ich mir nach drei Monaten Startup Szene Bangalore die Frage: Kommt etwa mehr Innovation aus Indien, als aus dem globalen Mekka von Innovation und Entrepreneurship, dem Silicon Valley?
Copy + Offline-Innvation + Paste
Natürlich gibt es auch in Indien die obligatorischen Copy-Cats erfolgreicher Konzepte aus den USA – und warum auch nicht… Der gemeine Inder will auch online shoppen, sein Bus-Ticket im Internet kaufen, am Smartphone Videos konsumieren, Musik downloaden und sich mit seinen Freunden vernetzen. Aber die Einführung dieser im Westen entwickelten Produkte und Geschäftsmodellen braucht für den indischen Markt eine Menge Innovation in der Umsetzung.
- Online-Shopping gut und schön, aber wie kommt der Unternehmer zu seinem Geld, wenn nur ein paar wenige Prozent seiner Kunden Kredit- oder Bankomatkarte haben?
- Wie liefert er seine Produkte zum Kunden, wenn es keine verlässlichen Zustell-Services gibt?
- Wie verrechnet er mit einen Lieferanten, wenn dieser nur Cash/Schwarzgeld will?
- Wie streamt man ein Video wenn es zu wenig Bandbreite gibt oder die User noch kein Smartphone haben?
- Wo ist das Geschäftsmodell wenn niemand für digitale Downloads zahlt?
- Wie kann ein Facebook Nutzer durch SMS seinen Status updaten?
- Und wie gehe ich mit Benutzern um, die kein Englisch sprechen, beziehungsweise lesen und schreiben können?
Die Kundenwünsche sind in Indien prinzipiell die gleichen wie im Westen, nur die Infrastruktur schlechter, die Ressourcen geringer und die Probleme größer. Ein e-Business in Indien zu betreiben bedarf also ein gutes Stück mehr Innovation als in den alten Märkten. Die Herausforderungen liegen nämlich meist offline. Wer aber dafür Lösungen entwickelt, findet einen Markt vor, der mindestens so groß ist wie im Westen.
Innovationen – Made in India
Kommen wir zu den „indischen Innovationen“ abseits der etablierten Geschäfte, die wir schon aus dem Westen kennen. Indiens Innovationen zielen nämlich auf die Befriedigung die physiologischen Grundbedürfnisse (nach Maslow) ab, also Nahrung, Trinkwasser, Wohnraum und Gesundheitsversorgung; aber auch Energie, Transport, Kommunikation und Bildung. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und effiziente Verteilung von Ressourcen (Wasser, Strom, Geld, Information etc) sind Problembereiche, die wichtiger sind als soziale Netzwerke für Hunde-Liebhaber oder die Hauszustellung von Katzen-Streu.
Da beeindruckten mich schon eher folgende Innovationen, Produkte und Services, die in Indien und für Indien entwickelt wurden:
- Kommunale Trinkwasser-Aufbereitung und Versorgung für den ländlichen Raum (http://www.waterhealth.com/)
- Private Wasserdesinfektionsgeräte für 20 USD (http://www.tataswach.com/)
- kostengünstige und hochklassige Augenoperationen für alle Inder (http://www.aravind.org/)
- Gesundheitsdienstleistungen und Tele-Medizin für den ländlichen Raum (http://www.ehealthpoint.com/)
- SMS-Info-Dienste für Bauern (http://www.reutersmarketlight.com/)
- Solar-Leuchten für die Base of the Pyramid (http://www.thrive.in/)
- Medizinische Geräte mit „more value, for less money, for more people“ (http://forushealth.com/forus/)
- Text-Eingabe und Darstellung aller indischen Schriften auf allen Mobiltelefonen, auch Nicht-Smartphones zur Überwindung der Digital Divide (http://www.reverie.co.in/ )
- Ein Jobportal für den informellen Sektor (http://www.babajob.com/)
- SMS-, Voice- etc Info-Dienste für Bauern (http://www.ekgaon.com/)
- Finanzdienstleistungen für „Unbanked“ und „financial inclusion“ (http://eko.co.in )
All diese Firmen, die ich persönlich kennen lernen durfte, haben wirklich „Solutions“ für die drängendsten Probleme der Massenmärkte entwickelt – mit Hilfe von Innovation und Technologie. Außerdem haben sie wirklich Impact, und sind als Produkte unendlich skalierbar.
Kommt also mehr Innovation aus Indien, als aus dem Silicon Valley? Und welche Innovationen brauchen wir?
(Wolfgang Bergthaler)
Wolfgang Bergthaler ist Co-Founder von Indische-Wirtschaft.de. Auf diesen Blog schreibt er regelmäßig über seine Erfahrungen über Business in Indien. Wolfgang lebt derzeit in Indien, wo er mit/für zahlreiche Start-ups arbeitet, u.a. www.YourStory.in, Indiens führendes Entrepreneurship-Portal. Er ist Experte, Entrepreneur und Projektmanager für/in Indien.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.