Nach zehn Tagen Blitz-Urlaub in Australien bin ich gestern Abend wieder in Mumbai gelandet. Ich bin froh wieder „zu Hause“ zu sein. Ich hatte eine super Zeit in „Down Under“. Das lag aber mehr an der Person, mit der ich die zehn Tage verbracht habe, als an Australien und dessen Bewohner.
Der Hype und der Mythos um den Kontinent am anderen Ende der Welt war für mich in keinster Weise nachvollziehbar. Viele meiner Freunde, die schon in Australien waren, schwärmten mir immer vom Paradies vor, das es dort geben sollte. Das Land ein Wahnsinn, außerdem die Leute extrem locker, freundlich und was noch nicht alles. Ich habe Australien jedenfalls anders erlebt. Das liegt aber eventuell auch daran, dass ich Land und Leute durch die „indische Brille“ betrachtet habe. Mein Fazit ist jedenfalls, dass ich mich in Indien, trotz aller Mühen des Alltags, wohler fühle. Warum? Darum!
- Indien bietet „value for money“! Australien ist unverschämt teuer. Unterkunft, Transport, Nahrungsmittel und Fortgehen sind im Schnitt um 50% teurer als in Deutschland. Außerdem sind die Produkte und Dienstleistungen von geringer Qualität und von schlechterem Service. Das Leben in den indischen Metropolen ist schon lange nicht mehr billig, aber hier bekommt man für sein Geld wenigstens noch Leistung.
- Indien bietet mehr Auswahl! Wenn mir in Indien ein Service oder ein Produkt das Geld nicht wert ist, was sie kostet, habe ich immer noch mehrere Alternativen zur Auswahl. Wenn ein Flug zu teuer ist, nehme ich einfach den Zug oder den Bus. Wenn ich keine Lust/Zeit auf ein steifes Luxus-Restaurant habe, kann ich immer noch in das nächste Straßenseitige Lokal einfallen, das mir ein Zehntel kostet. In Australien habe ich diese Möglichkeiten nicht. Entweder Flug buchen oder zu Hause bleiben. Entweder zweitklassiges Restaurant-Essen zu Höchstpreisen in Kauf nehmen oder selber kochen.
- Gegen die indische Dienstleistungs-Kultur ist Australien die reinste Service-Wüste: In Indien wird einem alles zum Arsch getragen – in Australien herrscht die Self-Service- und „do-it-yourself“-Kultur vor. Wer ein Mindestmaß an Dienstleistung wünscht, der brennt wie ein Luster.
- Indien ist effizienter! Damit hätte ich am wenigsten gerechnet! Ich konnte aber mehrmals beobachten wie intransparent und bürokratisch die Verwaltung läuft: etwa wie kompliziert es ist einen Miet-Vertrag zum Stichtag aufzulösen, seine Kaution zurück zu bekommen oder das Handy abzumelden. Selbst ein Taxi zu bestellen ist nicht ganz ohne Tücken. Kunden-Orientierung gibt es nicht. Überall ein Mindestmaß an Schikane, eine Prise Willkür, erhebliche Extrakosten und diverse Extra-Schleifen zum Durchlaufen. Diverse Szenen erinnerten mich stark an die indische Bürokratie, aber bei weitem nicht so sympathisch-grotesk.
Ich selbst wurde am Flughafen Adelaide eine halbe Stunde angehalten, weil sich das Boden-Personal als Indian Immigration Office versuchte. Sie dürften mir keine Boarding-Card nach Bombay ausstellen, weil ich kein Flugticket von Indien nach Österreich habe. Fünf Anstellte machten sich nacheinander wichtig, jeder Einzelne war aber ahnungslos. Selbst nach zwanzig Minuten konnten die Herrschaften allesamt weder Österreich und die Schweiz auseinander halten, noch ein Business- von einem Touristen-Visum unterschieden. Sie alle beriefen sich auf irgendwelche Paragraphen im dicken Airline-Handbuch, das sie alle eifrig durchblätterten. Keiner konnte mir aber den entsprechenden Paragraphen zeigen. Nach 30 Minuten Herum-G’schaft’ln und unnötigen Stress (á la Indien) ließen sie mich schließlich einchecken. Meine wirkliche Immigration in Mumbai dauerte keine zwei Minuten.
- Inder sind freundlicher! Australier werden oft als extrem locker und sympathisch verklärt. Vielleicht muss man aber auch „cool“ wort-wörtlich mit „kühl“ übersetzen. Denn ich habe selten so oberflächlich-distanzierte Menschen getroffen. In zehn Tagen habe ich keinen Einzigen getroffen, der wirklich von Herzen gastfreundlich war und sich persönlich für mich und meine Anliegen interessiert hätte
. Im Gegenteil: Distanz und Kälte sind viel eher Attribute, mit denen ich das Verhalten der Australier, die ich getroffen habe, beschreiben würde. Sobald man aber in Indien abseits der Touristen-Hotspots unterwegs ist, wird man quer durch alle Bevölkerungsschichten wahre Gastfreundschaft und menschliche Wärme erfahren.
- Inder sind lockerer! Eigentlich ist in Australien alles verboten. Bei Rot über die Straße gehen (das lass ich mir ja noch einreden). Aber Trinken am Strand, vom Steg hüpfen. Selbst das Aufhängen von Handtüchern am Balkon ist untersagt. Da lobe ich mir die größte Demokratie der Welt, wo jeder tut und macht, was er will – bis er durch die Willkür anderer daran gehindert wird – und es dann doch weiter macht.
- Indisches Essen schmeckt besser! Ich glaube, dem muss ich nichts mehr hinzuzufügen!
Ich liebe mein Indien, trotz all seiner Schwächen!
Anmerkung: Meine Beobachtungen beziehen sich auf meinen zehn-tägigen Aufenthalt in Adelaide und Sydney. Natürlich darf man von einzelnen Erlebnissen nicht auf das gesamte Land schließen, aber ein gewisses Grundgefühl hat sich bei mir schon durchgesetzt.
(Wolfgang Bergthaler)
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