Indien hat nach wie vor ein Energieproblem: Stromausfälle sind selbst in Großstädten keine Seltenheit, Spannungsschwankungen sind normal; und ländliche Gebiete sind teils noch immer nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen. Grund für Sushil Prakash, Geschäftsführer von SunCarrier Omega, das Projekt des „Net-Zero Energy Building“ im Süden des Landes zu starten: Ein Office-Gebäude, das seinen Strom gänzlich selbst aus Erneuerbaren Energien produziert, zusätzlich energieeffizient gestaltet wurde – gekostet hat in die Errichtung rund 800 € pro Quadratmeter, für die Energieversorgung mussten zusätzlich 400 € pro Quadratmeter bezahlt werden.
Das Kern der Energieversorgung bilden dabei Solarzellen; sie produzieren rund 400 kWh pro Tag; für die wenigen sonnenarmen Tage im Jahr – etwa während des Monsun – soll in wenigen Monaten eine kleine Windturbine mit zehn kW Leistung als Backup dienen. Zusätzlich wird die überschüssige Energie in Batterien gespeichert; der „Cellcube“ ist ein Produkt der in Wiener Neustadt ansässigen Cellstrom, an der die deutsche Gildemeister Gruppe seit zwei Jahren eine Mehrheitsbeteiligung hält. Als Prakash auf der Intersolar mit der Frage konfrontiert wird, ob seine Lösung auch im deutlich kühleren Norden Indiens funktionieren würde, antwortet er: „Der Cellcube kommt aus Österreich, einem kalten Land. Was dort funktioniert, funktioniert auch in Nord-Indien.“
Österreichischer Andrang
Die Gildemeister Gruppe ist nicht das einzige mitteleuropäische Unternehmen, das im Rahmen der Intersolar – Indiens größter Messe für Sonnenenergie – am indischen Markt vergangene Woche Fuß fassen wollte: Branchengrößen wie Siemens und ABB waren ebenso präsent wie das auf Wechselrichter spezialisierte Unternehmen Fronius, das 2010 einen Umsatz von 499 Millionen € erwirtschaftete, 95 Prozent davon im Ausland, sowie das aus Seeham stammende Unternehmen Alumero – einem Mitarbeiter von Alumero zufolge will man aktuell den indischen Markt erkunden und Chancen ausloten.
Das Potenzial am indischen Solarmarkt jedenfalls ist gewaltig: Dem Beratungsunternehmen „Bridge of India“ zufolge sind in diesem Jahr rund 200 Megawatt Photovoltaik-Leistung installiert worden; bis 2022 gebe es in Indien ein Potential von 33,4 Gigawatt Photovoltaik-Leistung. Allein mit dem Förderprogramm der indischen Regierung wird ein Zubau von 20 Gigawatt bis 2022 angestrebt. Das ist im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften allerdings noch nicht allzu beeindruckend: Deutschland hat laut Ernesto Macias Galan von der Allianz für Ländliche Elektrifizierung zehn Gigawatt allein im vergangenen Jahr installiert
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„Indien ist noch weit entfernt von seinem wahren Potential“, sagt Galan. Der durchschnittliche US-Amerikaner konsumiere 12000 kWh Strom, der durchschnittliche Europäer 6000 kWh – die Inder hingegen nur 600 kWh pro Kopf. Weltweit gebe es noch immer 1,4 Millionen Menschen ohne Zugriff auf elektrischen Strom, in Indien seien es rund 500 Millionen Bürger. „Und ironischerweise gibt es gerade dort viel Sonne, wo die Menschen mit Strom unterversorgt sind“, sagt er: „In Deutschland ist der ROI im Vergleich zu Indien oder Schwarzafrika viel geringer, der mitteleuropäische Ausbau ist angebotsgetrieben.“ Eine Möglichkeit zur Versorgung der Unterversorgten sei eben durch Photovoltaik möglich – man könne abseits des ausgebauten indischen Stromnetzes kleine Insellösungen schaffen, bei denen Dörfer sich selbst mit PV-Zellen erhalten.
Neuer Protektionismus?
Doch für interessierte Unternehmen besteht die Gefahr, dass Indien sich gegenüber ausländischen Anbietern verschließt – so berichtet es zumindest die chinesische Tageszeitung „China Daily“: Da vor allem für chinesische als auch für US-amerikanische Unternehmen Kapital leichter verfügbar sei, würden diese mit Duming-Preisen in den indischen Markt gehen und die lokale Solarindustrie somit schädigen. Indien überlege folglich, den Markteintritt für ausländische PV-Anbieter zu erschweren, berichtet China Daily. Einem Bericht von Reuters zufolge wurde diese Meldung jedoch bereits von der indischen Regierung dementiert. Die chinesische PV-Industrie wird massiv von der Regierung gestützt; 90 Prozent der chinesischen Exporte gehen derzeit in die USA und nach Europa.
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