Demokratie auf indisch – und was wir daraus lernen (Kommenar)

Dieser Tage gehen die Regionalwahlen in fünf indischen Bundesstaaten in die Zielgerade
. Da Indien sehr föderal administriert wird, fallen dem jeweiligen Chief Minister (vgl. Ministerpräsident) viel Macht und Geld zu. So regieren sie ihren Bundesstaat oft mit absoluter Macht und kümmern sich nur wenig was die Unionsregierung in Delhi zu sagen hat.

Sie genießen gerne Idiotenfreiheit und wirtschaften ihre Bundesstaaten nicht selten herunter. Denn um die Massen bei Laune und die Wähler bei der Stange zu halten, braucht es teure Wahlversprechen für das gemeine Volk. So ist es beispielsweise der staatstragenden Congress-Partei zu verdanken wenn sie durch ihre Politik der staatlichen Zuschüsse (Subsidies auf Reis, Kerosin bis hin zu Pilgerfahrten nach Mekka) ganze Märkte ruinieren. Beispielsweise werden die armutsgefährdeten kleinen Bauern gezwungen ihre Ernte dem Staat zu einem festgesetzten Preis zu verkaufen anstatt am freien Markt höhere Gewinne zu erzielen. Die Differenz aus subventionierten Verkaufspreis und Einkaufspreis wird mit Steuergeld bedient, das wo anders wohl besser eingesetzt wäre. Mit dem Versprechen „Reis um 2 Rupien pro Kilogramm“ kann man in Indien aber immer noch ein paar hundert Millionen Wähler für seine Politik motivieren.

Da es am Land (noch) keine zuverlässige Stromversorgung gibt, greifen die Menschen nach Einbruch der Dunkelheit auf Kerosinlampen zurück. Umweltfreundlichere und im Betrieb günstigere Solarlampen gibt es reichlich. Weil die Regierung aber Kerosin massiv subventioniert, werden diese nachhaltigeren Produkte vom Markt nicht angenommen. Auch hier wird eine ganz neue Industrie mit innovativen Produkten für Elektrizität und Beleuchtung ganz einfach blockiert.

Unglaublich aber wahr: Muslime bekommen für ihre Pilgerfahrt nach Mekka staatliche Zuschüsse. Mit 150 Millionen Indern stellen die Muslime auch eine wichtige Vote-Bank dar, die es zu bedienen gibt.

Die Mittelklasse, die ja in Indien die oberen 10 Prozent darstellt, ist da absolut in der Minderheit und bleibt bei den Wahlen gleich ganz zu Hause. Das Haupt-Problem der indischen Demokratie ist, dass die Armen und Ungebildeten die absolute Mehrheit stellen und diese auch demokratisch durchsetzen.

Beziehungs- statt Sachebene

Neben plakativem Populismus haben Inhalte in der indischen Politik nichts verloren. (Nicht dass diese in Europa noch eine große Rolle spielen würden…) Für die indische Psyche gibt es keine (absolute) Wahrheit. Die sachliche Ebene ist in der indischen Kommunikation nie so wichtig wie die Beziehungsebene. Daher ist es auch völlig egal was die Politiker propagieren. Wichtiger ist, dass man einen persönlichen Bezug zu ihm/ihr hat. Natürlich kennt man sich nicht persönlich, aber man wählt (s)einen Interessens-Vertreter aus der eigenen Kaste/Community/etc. Daher spielt die Kastenzugehörigkeit auch noch im Jahre 2012 bei den Regionalwahlen in Uttar Pradesh die vorherrschende Rolle. Die Frage, die sich in den kommenden Tagen entscheidet ist, ob die „Unberührbare“ Mayawati ihre Dalits wieder so mobilisieren konnte wie vor fünf Jahren, oder ob die anderen Parteien – ebenfalls mit hochkarätigen Kandidaten der unteren Kasten im Rennen – erfolgreicher die 60% Dalits der Gesamtbevölkerung für sich gewinnen konnten. Indische-Wirtschaft wird berichten!

Zwei Welten und keine Wahrheit

Was für die Politik gilt, gilt auch für andere Bereiche der Gesellschaft (wie etwa der Wirtschaft). Während westliche Kulturen an eine (gewisse) zentrale Ordnung und Steuerung sowie allgemein gültige Gesetze glauben, gibt es in der indischen Kultur lediglich eine periphere Ordnung. Entscheidend ist in Indien nicht das Was, sondern Wer und Wie. So einfach wie eine Person seine Meinung ändern kann, so schnell ändert sich auch die Wahrheit. Die Person aber bleibt unfehlbar. Und mit der Wahrheit (Eindeutigkeit) ist es in Indien immer so eine Sache. Das macht Arbeit und Business zwischen Indern und Deutschen nicht gerade einfacher.

(Kommentar von Wolfgang Bergthaler)

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Wolfgang Bergthaler

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