Radeln wie ein Maharadscha. Kundenorientierung wie im License Raj (Bewertung Indienrad.de)

Als ich 2004 mein Praktikum in Hyderabad absolvierte, kaufte ich mir ein altes indisches Fahrrad (österr.: Waffenrad; ähnlich einem Hollandrad) um damit die Stadt zu erkunden und täglich ins Büro zu fahren (ich war damals DIE Attraktion im Straßenverkehr!). Es gibt noch immer Unternehmen, die jene Modelle fertigen, die von den Engländern entwickelt und in der Kolonialzeit eingeführt wurden. Die Fahrräder sind heute für uns Europäer absoluter KULT. Es tat mir daher leid, dass ich damals mein Retro-Rad nicht nach Österreich mitnehmen konnte.

Begeisterung, Bestellung und Geschäftsidee

Umso erfreuter war ich dann im Sommer letzten Jahres als ich erfuhr, dass ein Münchner Unternehmen diese Indienräder nach Deutschland importiert und über das Internet vertreibt. Daraufhin wollte ich nicht nur sofort mein eigenes Indienrad besitzen, sondern hatte auch sofort die Idee diese in Österreich populär zu machen und zu vermarkten. Ein Retro-Rad aus Indien trifft ziemlich genau den Zeitgeist der jungen urbanen Wiener Bobo-Szene. Als “Mr. India” mit gutem Netzwerk zur Kreativ- und Startupszene könnte ich da einen schönen Markt aufbauen… Ich war gleich Feuer und Flamme, kontaktierte die Gründer und Betreiber von Indienrad.de telefonisch um über Vermarktungsrechte und  Resellership zu sprechen
. Alles vielversprechend. Ich war motiviert! Aber bevor ich so richtig los legen konnte, musste ich natürlich erst mal das Rad testen…

Defekt nach fünf Kilometern. Keine Reaktion – auch nach fünf Monaten!

Zehn Tage nach meiner Bestellung traf das Rad dann um den 18.September in Wien ein. Es dauerte zwei bis drei Stunden bis ich es zusammen gebaut hatte und ich meine erste Testfahrt antrat. Nach fünf Kilometern brach unglücklicherweise das Kugellager der hinteren Achse. Natürlich war mein Ärger groß. Immerhin hatte ich mich so über mein neues Kultobjekt gefreut.

Da indische Produkte grundsätzlich massiv und robust sind, muss dieses Gebrechen ein Einzelfall sein. Fahrräder wie dieses werden in Indien über Generationen vererbt. Im Prinzip kann ja auch nichts kaputt werden: 20 kg Stahlrahmen, Felgeninnenbremse und nur ein Gang, alles absolut low-tech, mechanisch und massiv. Daher kontaktierte ich Nikolaus Hartl telefonisch, Geschäftsführer von Indienrad.de um den Schaden zu melden und ein Ersatzteil zu bestellen. Ein neues Hinterrad wurde mir instantan versprochen. Heute, fast fünf Monate später, hab ich dieses noch immer nicht erhalten!

Service wie zu Zeiten des Licence Raj

Leider ist nach weiteren fünf e-mails (keine einzige Antwort) und mindestens zehn Anrufen noch immer nichts passiert. Wenn ich überhaupt durchgekommen bin, waren die Ausreden mannigfaltig: “Nicht auf Lager”, “kommt demnächst”, “Weihnachtsferien”, “Messe”, “unser Lager ist Schuld”, “schicke ich heute noch weg” um einige zu nennen. Als ich heute nochmals anrief um nachzufragen, hat Herr Hartl schlicht und einfach nach 15 Sekunden aufgelegt. Das ist mir in Indien schon oft passiert, aber noch nie in Mitteleuropa.

Wie die Indienrad UG mit ihren Kunden umgeht erinnert mich ziemlich stark daran wie man in Indien von den unangenehmsten Behörden behandelt wird (“come tomorrow”-Strategie) beziehungsweise wie vor 30 Jahren Staatsunternehmen gearbeitet haben müssen. In den schlechtesten Tagen der sozialistischen Planwirtschaft musste man schon mal ein paar Jahre auf einen Telefonanschluss warten. So viel Geduld habe ich nicht und daher meine Hoffnung aufgegeben.

Keine Ahnung von Marketing

Für mich ist es verwunderlich, dass jemand, der Onlinehandel betreibt, nicht versteht wie Marketing in der heutigen Internet-Ökonomie funktioniert. Hätte ich mein Ersatz-Hinterrad in angemessener Zeit bekommen, hätte ich als begeisterter Kunde nicht nur positive Reviews veröffentlicht und über meine Social Media Kanäle geteilt, sondern wäre sogar (wie geplant) als Reseller in Österreich für Indienrad.de aktiv geworden und hätte ein paar duzend bis hundert Fahrräder vertrieben. In meinem Co-Working Space alleine waren schon zehn Leute vom Indienrad begeistert.

Stattdessen sehe ich mich gezwungen, etwas zu tun, was ich noch nie gemacht habe: nämlich meinen Frust über ein Produkt, oder besser gesagt eine schwache Dienstleistung, die eigentlich selbstverständlich sein müsste, auf  meinen Blog kund zu tun. Schade um das schöne Produkt.

(Kommentar)

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Beitrag veröffentlicht

von

Wolfgang Bergthaler

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