“Achtung vor Business Kasten”

Betrachten wir die traditionelle indische Gesellschaftsordnung (das Kastenwesen) einmal aus der geschäftlichen Perspektive – zum Verständnis (s)eines indischen Geschäftspartners.
Die Idee war eine Einteilung der Menschen nach ihren Berufsgruppen, vergleichbar mit dem Zunftwesen im europäischen Mittelalter. Auch bei uns gab es so genannte Gilden, Innungen oder Zechen für verschiedene Gewerbe
. In Indien sowie in Europa nahmen diese Gruppen neben ihrer wirtschaftlichen Funktion auch religiöse, soziale, kulturelle und militärische Aufgaben wahr.

Im Laufe der Jahrhunderte bekam das indische Kastensystem eine hierarchische Dimension und es entwickelten sich die vier Hauptkasten (Varnas):

  • Brahmanen: die intellektuelle Elite, Priester und Lehrer
  • Kshatriyas: Krieger und Fürsten, höhere Beamte
  • Vaishyas: Händler, Kaufleute, Grundbesitzer und Bauern
  • Shudras: Handwerker, Tagelöhner

“Darunter” sind die Kastenlosen, oder auch Unberührbaren, Paria oder Dalits genannt

Eine „höhere“ Kastenzugehörigkeit sagt nichts über den finanziellen Wohlstand einer Person aus. Es sind eher die Vaishyas, also die dritte Kaste, die es als Händler und Unternehmer zu Reichtum und Einfluss gebracht haben. Diese so genannten “business communities” haben Unternehmergeist, Geschäftssinn und Verhandlungsgeschick über die Jahrhunderte perfektioniert und an die nächste Generation weitergegeben.

Die Kastenangehörigkeit lässt sich immer vom Familiennamen ableiten. Machen Sie sich mit den wichtigsten Business-Kasten und deren Nachnamen vertraut!

  • Die Kaste der Baniyas (ganz bekannte Namen sind Gupta und Agarwal) sind vor allem Händler aber auch im Geldgeschäft aktiv.
  • Die stolze und durch die Bank geschäftstüchtige Community der Gujaratis (aus Gujarat) sind als Geschäftsleute international aktiv. Unter anderem beherrschen sie den weltweiten Diamanthandel. Sie nennen sich Shah, Mehta oder Patel.
  • Eine andere starke Gruppe aus Nordindien sind die Jats (z.B.: Chauhan, Dalal oder Hooda), die es durch intensive Landwirtschaft im nordindischen Punjab zu großem Reichtum gebracht hat.
  • Die Mawaris (oft Birla, Modi, Mittal) sind ursprünglich aus Rajastan, heute aber in ganz Indien sehr gross im Handel, Finanzbereich und der Industrie.
  • Die Sindhis sind in der Textilbranche aktiv und mussten vom heutigen Pakistan (Provinz Sindh) nach der Unabhängigkeit nach Indien fliehen. Man erkannt sie an ihrer Namensendung „-ani

Auf die geringe Anzahl gerechnet überdurchschnittlich präsent und erfolgreich sind die religiösen Minderheiten Indiens: Jains, Sikhs, Christen, aber auch Muslime.

  • Anhänger des Jainismus sind durch ihren Nachnamen Jain leicht auszumachen. Die gehören zu den wohlhabendsten und einflussreichsten Gruppen und gelten als beinharte Verhandler.
  • Die Sikhs stellen nur 2% der Bevölkerung, spielen aber in eine bedeutende Rolle. Ursprünglich Bauern aus dem Punjab, findet man sie (mit dem Namen Singh) in ganz Indien und der ganzen Welt. Sie geniessen, mehr als alle anderen, den Ruf ehrliche und faire Geschäftspartner zu sein
  • Die christliche Gemeinde reagiert das Geschäftsleben im südindischen Kerala. Diese sind durch ihre englischen Nachnamen wie Philip, Thomas, John und dergleichen zu erkennen
  • Auch die muslimische Community (zum Beispiel Khan, Hussain) ist durchaus unternehmerisch

Dies waren nur ein paar Beispiele der wichtigsten und einflussreichsten „Business communities“. Heute findet man auch immer Leute von anderen Kasten im Geschäftsleben, insbesondere im IT-Bereich. Diese Personengruppen sind noch neu „im Geschäft“. Da ist es für europäische Geschäftsleute noch möglich ein für sie zufriedenstellendes Verhandlungsergebnis zu erzielen. Wir wünschen viel Erfolg beim Feilschen!

(Wolfgang Bergthaler)

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