Mit indischen Software Ingenieuren gegen punktuellen IT Fachkräftemangel

Seit Ende der 90er Jahre beklagt die Software und IT-Branche in Österreich und Deutschland konstant einen Fachkräftemangel – je nach Konjunktur einmal mehr und einmal weniger. In Deutschland erreichte die öffentliche Diskussion bereits vor 13 Jahren mit dem auch bei uns bekannten Sager des CDU-Politikers Jürgen Rüttgers einen ersten (peinlichen) Höhepunkt. Der spätere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen schlug schon im Jahr 2000 „Kinder statt Inder” als Lösungsansatz vor.

Selbst wenn sich damals genug Bürger zum Kinderwunsch hätten motivieren lassen, würden die potentiellen Software-Entwickler sich jetzt bestenfalls auf die dritte Klasse Gymnasium vorbereiten, aber wohl in den seltensten Fällen Enterprise-Software beim Kunden konfigurieren oder Web 2.0 Applikationen programmieren.

Laut Fachgruppe UBIT der Wirtschaftskammer arbeiten etwa 70.000 unselbstständige Beschäftigte in der Branche, die neben Informationstechnologie auch noch Unternehmensberatungs- und Buchhaltungsbetriebe umfasst. Daneben kommen laut Helmut Dornmayr vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) knapp 10.000 IT-Absolventen pro Jahr auf den heimischen Arbeitsmarkt. Für Nachwuchs ist offensichtlich gesorgt.

Fachkräfte-Mangel: Wir sind der Frage nachgegangen, ob der viel zitierte Fachkräftemangel wirklich real, nur eine statistische Lücke, eine demografische Fragestellung oder eine Erfindung ist. Die Berater-Gruppe „MI Recruitment, hat in der ersten Jahreshälfte mit Personalverantwortlichen von über 50 österreichischen Unternehmen der IT-Branche gesprochen.

Wolfgang Bergthaler von MI Recruitment kommt zu dem Schluss, dass es den so oft beschworenen IT-Fachkräftemangel in Österreich generell nicht gibt. Der überwiegende Teil der Unternehmen in Wien (Anm: Wien repräsentiert etwa ein Drittel der heimischen IKT Wirtschaft) kann die offenen Stellen in realistischer Zeit mit qualifizierten Kandidaten direkt am österreichischen Arbeitsmarkt besetzen. Die Hauptgründe sind eine hohe Zahl an Uni-Absolventen sowie der konstante Zuzug qualifizierter Menschen aus EU sowie Nicht-EU-Ländern in die Bundeshauptstadt.

Regionaler Fachkräfte-Mangel und kreative Ansätze in der Steiermark

Anders stellt sich die Situation aber in den Bundesländern, insbesondere in kleineren Städten und Gemeinden, dar. Selbst Landeshauptstädte wie Graz leiden unter einem regionalen (!) Fachkräftemangel. Der Großteil der Personal-Verantwortlichen der IT-Unternehmen im Raum Graz erkennt für die eigene Firma einen eindeutigen Mangel an Software-Entwicklern und IT-Ingenieuren. Diese Nachfrage kann trotz Technischer Universität Graz und dem größten Fachhochschulträger Österreichs (FH Joanneum) nicht befriedigt werden. Es gibt, wie es ein Geschäftsführer einer Mittelständischen Software-Firma nannte, einen „Kampf um jeden Kandidaten“, denn auf Zuzug von Experten aus Wien kann man in der steirischen Landeshauptstadt nicht vertrauen. Stattdessen zieht es viele Grazer Absolventen in die Hauptstadt, aus privaten wie finanziellen Gründen.

Insbesondere in der Steiermark ist man sehr aufgeschlossen gegenüber Fachkräften aus dem Ausland und geht hier ganz neue Wege. Der Großteil der KMUs aus Graz sucht schon direkt beziehungsweise über Personalberater in Slowenien, Kroatien aber auch in den Nicht-EU-Ländern auf dem Balkan nach qualifiziertem IT-Personal. Außerdem gibt es Kooperationen mit südeuropäischen Arbeitsämtern, um diesen schon bestehenden Mangel durch Rekrutierung aus Ländern wie Spanien oder Griechenland zu decken.

Unternehmen mit mehr als 300 Mitarbeitern haben häufig schon sehr viel Erfahrung mit Mitarbeitern aus Asien, hier reicht die Bandbreite von Russland über den Iran bis nach Indien und China. Diese Unternehmen sehen ihre internationalen Kollegen als Bereicherung und als strategischen Vorteil bei Kunden-Projekten außerhalb von Europa.

Erleichterter Zuzug durch Rot-Weiß-Rot-Karte und Deutschkenntnisse

Der Gesetzgeber bemüht sich seit einigen Jahren, den Zuzug aus Drittstaaten zu erleichtern. In Österreich wurde das Ausländergesetz im Zuge der europäischen Neuregelung angepasst. Mit der Rot-Weiß-Rot-Karte hat Österreich eine eigene Version der europäischen Blue Card geschaffen. Damit können hochqualifizierte Nicht-EU-Bürger innerhalb von acht Wochen nach der Antragsstellung mit einem positiven Bescheid der Behörden rechnen. Genauso wie Herr Sharma aus Delhi in Indien, der seit Mai dieses Jahres mit seiner Frau nach Graz übersiedelt ist, um bei einem bei einem mittelständischen Systemhaus als Software Entwickler zu arbeiten. Um Verzögerungen zu vermeiden, begleitete die Visa-Expertin Barbara Rietzsch den gesamten Prozess von der Antragstellung für Aufenthaltstitel und Arbeitsgenehmigung bei der österreichischen Botschaft in Neu Delhi bis zur Einreise nach Österreich.

Herr Sharma ist aber bei weitem nicht der einzige indische Software-Entwickler in Graz, wie er in den ersten Wochen schon feststellen konnte
. In der Mur-Metropole arbeiten schon ein paar dutzend jener hervorragend ausgebildeten IT Experten, die an den Eliteuniversitäten Indiens studiert haben. Die meisten werden direkt von unternehmenseigenen Niederlassungen in Indien angeheuert und nach Graz entsendet. Herr Sharma wurde aber von Wolfgang Bergthaler und Andrea Lang von MI Recruitment direkt in Indien rekrutiert und nach Graz vermittelt – inklusive entsprechender interkultureller Vorbereitung.

Andrea Lang, Mitgründerin von MI-Recruitment, sieht für österreichische Unternehmen ein gewaltiges Potential, das Angebot indischer IT-Fachkräfte mit Deutschkenntnissen für sich zu nutzen. Seit ein paar Jahren gibt es in Indien einen starken Trend Deutsch zu lernen, was die Integration hier leichter macht. Denn unabhängig von der Firmengröße wird Deutsch zu 80 Prozent der Unternehmen als Qualifikation verlangt, vor allem aus Gründen des Kundenkontakts.

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von

Wolfgang Bergthaler