Wie Indien von geopolitischen Verschiebungen profitiert und Chancen für den Mittelstand bietet
In einer Welt, in der geopolitische Spannungen Druck auf die globalen Lieferketten ausüben, haben sich Unternehmen zunehmend von ihrer bisherigen Abhängigkeit von China abgewandt. Die sogenannte „China Plus One“-Strategie, die darauf abzielt, neben Produktionsstätten in China alternative Standorte zu entwickeln, ist längst kein Nischenphänomen mehr. Indien hat sich als einer der größten Profiteure dieses Trends herauskristallisiert, und das aus gutem Grund.
Doch was bedeutet diese Entwicklung für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), insbesondere für den Maschinenbau und die Automobilindustrie? Diese Unternehmen, die oft stark auf Exportmärkte angewiesen sind, sehen sich gezwungen, ihre Lieferketten und Produktionsstrategien zu überdenken.
Warum „China Plus One“?
Die Pandemie hat viele Schwachstellen in globalen Lieferketten offengelegt. Unternehmen, die stark auf China als „Fabrik der Welt“ angewiesen waren, standen plötzlich vor massiven Engpässen. Parallel dazu sind geopolitische Spannungen, vor allem zwischen den USA und China, gewachsen. Die Antwort vieler multinationaler Konzerne darauf war klar: Diversifizierung. Eine risikominimierende Strategie musste her, und so kam „China Plus One“ ins Spiel.
Doch es geht nicht nur um Risiko. Steigende Produktionskosten in China und die zunehmende Unsicherheit in Bezug auf den Handelskrieg haben viele Unternehmen dazu gebracht, ihre Fertigungskapazitäten in andere Länder zu verlagern – und Indien ist dabei einer der Gewinner.
„Make in India“: Ein Schub zur richtigen Zeit
Indien bietet mit seiner „Make in India“-Politik die “Lösung” für diese geopolitische Wende. Diese Initiative zielte darauf ab, das Land als Produktionsstandort für internationale Konzerne attraktiver zu machen, und setzte dabei auf Reformen, Bürokratieabbau und eine Verbesserung der Infrastruktur. Die Idee war ambitioniert, doch angesichts der aktuellen geopolitischen Lage zeigt sich immer deutlicher, dass Indien auf das richtige Pferd gesetzt hat.
Unternehmen wie Apple, Samsung und Foxconn haben bereits begonnen, signifikante Teile ihrer Produktion nach Indien zu verlagern. Besonders bemerkenswert ist Apples Entscheidung, das iPhone 15 teilweise in Indien zu fertigen – ein klarer Beweis dafür, dass Indien eine tragfähige Alternative zu China wird.
Was bedeutet das für deutsche Mittelständler?
Für den deutschen Mittelstand, insbesondere den Maschinenbau und die Automobilzuliefererindustrie, stellt sich die Frage: Wie können sie von diesem Trend profitieren? Hier gibt es mehrere Ansätze:
Zugang zu einem riesigen Wachstumsmarkt
Indien bietet nicht nur als Produktionsstandort Vorteile, sondern auch als Konsumentenmarkt. KMUs, die Maschinen oder Automobilkomponenten produzieren, könnten in Indien einen neuen Markt für ihre Produkte finden. Indische Unternehmen benötigen hochwertige Maschinen für die Produktionssteigerung und technische Lösungen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies bietet Chancen für den deutschen Maschinenbau, der für seine Qualität und Zuverlässigkeit bekannt ist.
Partnerschaften und Joint Ventures
Für viele kleinere Unternehmen, die nicht über die finanziellen Ressourcen großer Konzerne verfügen, kann die Gründung von Joint Ventures oder strategischen Partnerschaften in Indien ein sinnvoller Weg sein, um den Markteintritt zu erleichtern. Besonders im Automobilbereich, wo Indien eine starke Zuliefererindustrie entwickelt, könnten deutsche Mittelständler von lokalen Partnerschaften profitieren und gleichzeitig ihr Know-how einbringen.
Kosteneffiziente Produktion
Während China in den letzten Jahren höhere Lohnkosten und strengere Umweltauflagen eingeführt hat, bleibt Indien weiterhin ein kostengünstigerer Produktionsstandort. Besonders für Unternehmen, die arbeitsintensive Prozesse haben, bietet Indien eine gute Alternative. Dies könnte für deutsche Automobilzulieferer attraktiv sein, die nach Wegen suchen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Weniger Abhängigkeit von China
Auch für KMUs, die bisher stark auf China angewiesen waren, bietet die „China Plus One“-Strategie eine Möglichkeit, Risiken zu streuen. Besonders in Zeiten von Handelskonflikten und Lieferkettenstörungen ist es für viele Unternehmen entscheidend, alternative Standorte zu haben. Indien, mit seiner zunehmenden Industrialisierung und politischen Stabilität, bietet sich als ein vielversprechender Standort an.
Die Herausforderungen: Mehr als nur Kostenersparnis
Trotz der Chancen gibt es auch für den deutschen Mittelstand einige Herausforderungen. Die Bürokratie in Indien bleibt komplex, und die Infrastruktur muss in einigen Regionen noch deutlich verbessert werden. Zudem ist es für KMUs oft schwieriger als für große Konzerne, in neue Märkte zu expandieren, da ihnen oft die finanziellen Mittel und personellen Ressourcen fehlen.
Ein weiteres Thema ist die Ausbildung der Arbeitskräfte. Während Indien über ein riesiges Potenzial an jungen Arbeitskräften verfügt, gibt es oft Defizite. Deutsche Unternehmen, die auf hochqualifiziertes Personal angewiesen sind, müssen möglicherweise in die Schulung vor Ort investieren. Dies kann jedoch langfristig auch einen strategischen Vorteil darstellen, da man so die eigenen Qualitätsstandards von Anfang an implementieren kann.
Fazit: Eine neue Ära für den Mittelstand?
Die „China Plus One“-Strategie ist nicht nur eine wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch eine geopolitische. Indien hat die Zeichen der Zeit erkannt und sich als ernstzunehmende Alternative zu China positioniert. „Make in India“ war mehr als nur ein politisches Schlagwort – es war ein strategischer Schachzug, der Indien in der aktuellen globalen Wirtschaftsumwälzung einen Vorteil verschafft hat.
Für den deutschen Mittelstand, insbesondere im Maschinenbau, ergeben sich dadurch neue Chancen. Indien könnte nicht nur ein alternativer Produktionsstandort sein, sondern auch ein riesiger Wachstumsmarkt für Technologie und Know-how. Die Herausforderungen sind nicht zu unterschätzen, doch wer strategisch investiert, könnte langfristig von den geopolitischen Verschiebungen profitieren.