Österreichs Wirtschaft am Scheideweg

Auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell

Unsere exportorientierte Industrie, seit Jahrzehnten Wachstumslokomotive und Wohlstandsmotor der österreichischen Volkswirtschaft, befindet sich in einer tiefen Krise. Nach mehr als zwei Jahren Rezession fehlt es an greifbaren Lösungen, und der Blick auf die Regierungsverhandlungen der drei Parteien lässt wenig Hoffnung auf Besserung aufkommen. Vision, Mut und Entschlossenheit? Fehlanzeige. Statt radikalen Reformen wird wohl der lähmende Mix aus Bürokratie, Steuerlast und Kostendruck weiter unsere Wirtschaft bremsen. Derweil steigen Insolvenzen, Arbeitsplätze fallen weg, und die typischen Exportmärkte (insbesondere Deutschland, China und die USA) brechen – aus unterschiedlichen Gründen – zusehends weg.

Die Wirtschaftskammer WKO weist zwar regelmäßig darauf hin, dass sechs von zehn Euro im Export verdient werden, doch auch hier bleibt es bei Sonntagsreden (in der Pressestunde) und PR-Kampagnen. Ein echter Beitrag, die Wirtschaft zu entfesseln, ist nicht erkennbar. Hausgemachte Probleme wie Überregulierung (Stichwort Gewerbeordnung), sinkende Wettbewerbsfähigkeit und hohe Energiekosten werden durch geopolitische Herausforderungen wie Protektionismus und Deglobalisierung zusätzlich verschärft.

Alte Rezepte reichen nicht mehr

Die guten alten Zeiten der Exportwirtschaft werden nicht zurückkehren. Weder ein Rückgang der Lohnstückkosten noch das Erschließen neuer Absatzmärkte – etwa Indien – reichen meiner Meinung nach aus, um den Abwärtstrend zu stoppen. Der indische Markt wächst zwar rasant, doch mit klassischen Export kommen wir nicht schnell genug voran. Indien verfolgt eine klare protektionistische Strategie: Wer mitspielen will sein will, muss lokale Wertschöpfung betreiben – das sind jetzt die Regeln!

Dieses Dilemma wurde in zahlreichen Gesprächen bestätigt, die ich in den letzten beiden Wochen mit indischen Unternehmern und Managern führen durfte: “Don’t wait for the market to come to you. You must come to the market.” Österreichische Unternehmen ziehen sich jedoch oft auf eine vorsichtige Haltung zurück: Erst entsprechende Umsätze, dann investieren. In diesem Deadlock verbleiben viele Unternehmen. Denn ohne lokale Wertschöpfung gibt es in Indien oft (zu) wenig nennenswerte Vertriebserfolge. Es braucht einen Paradigmenwechsel!

Führung übernehmen, statt abwarten

Was also tun? Anstatt auf die österreichische Politik zu schimpfen, sollten österreichische Unternehmen in Indien aktiv werden und von den dortigen Standortvorteilen profitieren, die sie zu Hause so sehr vermissen: niedrige Personalkosten, Innovationsfreude, weniger Auflagen und eine hohe Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter:innen.

Dieser Einstieg muss nicht zwangsläufig mit einer Produktionsanlage beginnen. Eine eigene Vertriebsniederlassung ist der erste Schritt, um „Skin in the Game“ zu zeigen. Wer bereits Vertriebsstrukturen hat, sollte prüfen, welche Teile der Wertschöpfung lokal ausgelagert werden können – von der Beschaffung bis hin zur Produktion. Unternehmen, die in Indien produzieren, könnten wiederum überlegen, wie sie von dort aus in andere Märkte exportieren und global wachsen können.

Ein Geschäftsmodell für die Zukunft

Ein mutiges, aber realistisches Geschäftsmodell könnte lauten: Designed in Austria, Made in India. Exported to the World. Österreich behält seine Kernkompetenzen in Forschung und Entwicklung, Produktion, Technologieführerschaft und Internationalisierung. Gleichzeitig werden Produktionskosten durch lokale Fertigung in Indien gesenkt, und die Nähe zu Zukunftsmärkten wie Indien schafft Wettbewerbsvorteile.

Statt nur zu Exportieren erfordert dieses Modell Mut zur radikalen Internationalisierung und entsprechende Auslandsinvestitionen. Was nach Offshoring klingt, bietet in der Realität die Chance Arbeitsplätze in Österreich zu sichern und global wettbewerbsfähig zu bleiben. Apple wurde durch dieses Modell “Designed in California.” zum wertvollsten Unternehmen der Welt. Das könnte uns ein Beispiel sein.

Fazit: Zukunft aktiv gestalten

Indien kann für unsere Industrie ein Teil der Lösung zu mehr Wettbewerbsfähigkeit sein. Denn kein Markt der Welt bietet einen so großen, rasch wachsenden und noch weitgehend unterversorgten Absatzmarkt, der es erlaubt entsprechende Investitionen zu tätigen und von Kostenvorteilen zu profitieren. Klar gibt es in Indien auch jede Menge Herausforderungen, aber Indien ist jenen Bereichen stark, wo wir neue Impulse brauchen.

Die österreichische Wirtschaft hat die Wahl: Entweder bleibt sie gefangen in ihrem Abwärtssog, oder sie wagt den Schritt in eine globalere Zukunft. Es ist Zeit, dass wir uns dieser Realität stellen und die Zukunft aktiv gestalten, anstatt nur (auf Trump, Deutschland, die EU) zu reagieren.

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Beitrag veröffentlicht

von

Wolfgang Bergthaler