Trumps Einfluss auf die indisch-europäischen Beziehungen
- 8. Januar 2025
- Veröffentlicht durch: Wolfgang Bergthaler
- Kategorien: Allgemeines, Politik, Unternehmen & Märkte, Unternehmensberatung
Am 20. Januar 2025 übernimmt Donald Trump offiziell die Präsidentschaft der USA. Bereits im Vorfeld sorgt er mit seiner „America First“-Politik für Unsicherheit und Spekulationen an den internationalen Märkten. Höhere Einfuhrzölle und die Forderung, dass sowohl amerikanische als auch internationale Unternehmen künftig verstärkt in den USA produzieren sollen, verschieben die Grundpfeiler des Welthandels.
Auf den ersten Blick klingt das wie eine radikale Abkehr von der Globalisierung. Aber nicht nur die USA setzen auf stärkere Protektionismus-Tendenzen: Auch Indien verfolgt mit seiner Initiative „Self Reliant India“ (Atmanirbhar Bharat) eine ähnliche Strategie – siehe Make India Great Again.
Dieser Artikel beantwortet die Frage, welchen Einfluss Trumps Handelspolitik auf Indien haben könnte. Und was bedeutet dies für Europa, speziell für exportorientierte Länder wie Österreich und Deutschland? Wohin steuern die indisch-europäischen Beziehungen? Welche Risiken, aber auch Chancen ergeben sich für unseren Mittelstand?
Handelsbilanz, Zölle und (Bildungs)exporte
Die USA weisen gegenüber Indien ein deutliches Defizit in der Handelsbilanz aus. Die USA importiert aus Indien etwa doppelt so viel Waren(wert) als es exportiert.1
Im Bereich der Dienstleistungen ist die Bilanz – zu meiner eigenen Überraschung – weitgehend ausgeglichen. Die USA kompensieren die Software-Importe (Stichwort “Outsourcing“) mit “Bildungsexporten” (Stichwort “Higher Education Abroad” – es studieren etwa 200.000 Inder:innen in den Staaten) und Tourismus (inklusive Verwandtenbesuche).
Nichtsdestotrotz ist die kumulierte Handelsbilanz für die USA negativ. Diesen Umstand möchte Trump ändern! Wir können daher davon ausgehen, dass Trump die Tore für (qualifizierte) Einwanderer aus Indien, insbesondere Studenten und Ingenieure, weiterhin offen halten wird und gleichzeitig die Importe – durch etwa Strafzölle oder die Verpflichtung und Incentives von Firmen, in den USA zu produzieren – drosselt. Das würde dazu führen, dass amerikanische Unternehmen weniger in Indien investieren und stattdessen in den USA produzieren.
Foreign Direct Investments (FDI) und Exporte am Beispiel iPhones
Ganz nach dem Vorbild von Trump hat Indien in den letzten Jahren durch das “Production Linked Incentive” (PLI)-Programm zahlreiche finanzielle Anreize für die Steigerung der inländischen Produktion geschaffen. So sollten Importe verringert und sowohl ausländische als auch heimische Hersteller zu Investitionen ermutigt werden.
Ein konkretes Beispiel: 2024 wurden iPhones im Wert von 14 Milliarden Dollar in Indien produziert und davon 10 Milliarden (vorwiegend in die USA) exportiert.2
Sollte es Trump gelingen, Apple (bzw. deren Zulieferer) zu einer Rückverlagerung („Re-Shoring“) ins eigene Land zu bewegen, könnte das die indische Handelsbilanz empfindlich treffen und die Kampagne „Make in India“ der indischen Regierung schwächen.
Um in Indien weiter wettbewerbsfähig zu sein würden allerdings ausländische Unternehmen weiterhin die Produkte für den stark wachsenden indischen Binnenmarkt lokal produzieren.
Freundschaft zwischen Trump und Modi bringt Europa in die Zwickmühle
Ein paradoxes Szenario: Beide Staaten wollen mittels Protektionismus die eigene Wirtschaftsleistung stärken. Auf den ersten Blick verstärkt das die Konflikte. Auf den zweiten Blick eröffnen sich dadurch auch potenzielle “Deals” im Hintergrund, denn was die USA und Indien eint ist der gemeinsame “Feind”: China.
Gerade für Exportnationen wie Österreich und Deutschland ergeben sich aus der Wirtschaftspolitik Trumps (& Modis) gleich mehrere Konsequenzen:
Schwieriger Zugang zum US-Markt
Höhere Zölle, „America First“, aber auch der Inflation Reducation Act von Joe Biden, erschweren es europäischen Firmen ihre Produkte in die USA zu exportieren.
Stärkere Exporte Indiens nach Europa
Falls der US-Markt wegen höherer Importhürden (für Indien) an Attraktivität verliert, könnte Indien seine Ausfuhren in die EU ausweiten. Eine vergleichsweise schwache Rupie macht indische Produkte zusätzlich wettbewerbsfähiger.
Beides führt dazu, dass die Luft für europäische Unternehmen, die ihre Aktivitäten in Europa konzentriert haben, noch dünner werden könnte.
Diese geo-strategischen Schachzüge eröffnen aber auch neue Chancen, insbesondere für jene Unternehmen, die in Indien produzieren: Sollte Trump wirklich US-Firmen zu einer Rückverlagerung ihrer Produktionsstätten zwingen, wird Indien versuchen, andere Investoren ins Land zu locken – zum Beispiel aus Europa. Das könnte für unseren Mittelstand günstige Einstiegsbedingungen bedeuten.
Wer in Indien direkt produziert, profitiert vom wachsenden indischen Binnenmarkt und umgeht wiederum die Handelshemmnisse Indiens. Exporte von indischen Werken in andere Länder Asiens, des Mittleren Ostens oder nach Europa sind von Zöllen weniger oder kaum betroffen.
Geopolitische Allianz: Trump, Modi und Putin
Modi spielt bereits mit der Idee, eine Vermittlerrolle im Ukraine-Konflikt einzunehmen. Während Modi, Trump und Putin Osteuropa neu “ordnen”, sitzt Europa auf der Tribüne (der Bedeutungslosigkeit). Das untermauert Indiens Bestrebungen, sich geopolitisch breiter aufzustellen:
- Vermittlerrolle
Modi möchte Indiens Gewicht auf der globalen Bühne erhöhen. Das Land präsentiert sich immer öfter als neutrale Macht zwischen Konfliktparteien und baut damit sein internationales Profil aus. - Gemeinsamer Gegner China
Indien und die USA haben ein gemeinsames Interesse, dem wachsenden Einfluss Chinas in der Region entgegenzutreten. Trotz aller protektionistischen Töne dürfte Trump in puncto Zölle gegen Indien daher vorsichtiger agieren als angekündigt. Indien könnte aber auch von Trump “verpflichtet” werden, mehr Rüstungsgüter aus den USA zu kaufen, den Markt für “Defence” zu liberalisieren und für amerikanische Investoren zu öffnen. - Russland als Nebenakteur
Auch wenn Modi sehr gute Beziehungen zu Putin pflegt, fehlt Russland die Bedeutung als großer Investor in Indien. Daher ist es wahrscheinlicher, dass sich Modi in Fragen der Wirtschaft und Verteidigung näher an Trump orientiert.
Eine starke Freundschaft zwischen Trump und Modi könnte sicherheitspolitisch hilfreich sein und das Land international weiter aufwerten. Europa könnte geopolitisch noch weiter in den Hintergrund rücken.
Fazit: Eine Weltwirtschaft im Umbruch
Die protektionistische „America First“-Politik trifft auf ein ähnlich geartetes „Self Reliant India“. Für exportorientierte Staaten in Europa verschieben sich dadurch die Parameter im globalen Handel. Die entscheidende Losung für unseren Mittelstand lautet: Nur wer es schafft, in wachsenden Absatzmärkten (wie Indien und den USA) lokale Produktionskapazitäten aufzubauen, kann sich ebendort Marktanteile sichern! Export alleine reicht nicht mehr.
Foto Credit: https://www.flickr.com/photos/whitehouse45/
Quellen:
- https://www.census.gov/foreign-trade/balance/c5330.html ↩︎
- https://www.livemint.com/companies/news/apples-iphone-exports-from-india-hit-6-billion-amid-efforts-to-reduce-reliance-on-china-11730192005697.html ↩︎