Eines heißen Nachmittags letzte Woche in Bangalore habe ich mich wieder mal mit Kokosnuss-Wasser erfrischt, das natürliche und gesunde Elektrolyt-Getränk, das es in Indien überall am Straßenrand zu kaufen gibt
. Da die Englisch-Kenntnisse des Verkäufers ganz passabel waren, nutze ich die Gelegenheit mit ihm (Sandeep) zu plaudern und ich konnte so interessante Einblicke in sein Geschäft bekommen.
Das Produkt
Sandeep ist also Einzelunternehmer und handelt mit Kokosnüssen, deren Wasser er den Endkunden als Erfrischungsgetränk zum Preis von 10 Rupien anbietet. Das Produkt spricht für sich und verfügt über zahlreiche Vorzüge. Kokosnuss-Wasser löscht nicht nur den Durst, sondern ist auch noch gesund, beinhaltet wichtige Mineralstoffe und hat kaum Kalorien. Die Nachfrage ist hoch, besonders in den Sommermonaten.
Sein Geschäftsmodell und der Finanzplan
Sandeep bietet seine Produkte in guter Lage, in einer Einkaufsstraße, an. Sein guter Standort ist auch sein wichtigstes Marketing-Instrument. Denn die Konkurrenz schläft nicht und der Wettbewerb ist intensiv. Viele Kleinst-Unternehmer rittern um den Kokosnuss-Markt. Trotz zahlreicher Mitbewerber in unmittelbarer Nähe setzt Sandeep täglich zwischen 200 und 300 Kokosnüsse ab und macht damit einen Umsatz von 2.000 bis 3.000 Rupien pro Tag. Aus seinen Absatzzahlen ergibt sich ein monatlicher Umsatz von umgerechnet € 1.000 bis € 1.500. Zusätzlich verkauft er die leeren Kokosnüsse als Biomasse zum Recycling und erzielt dadurch zusätzliche Einnahmen. Pro Stück rechnet Sandeep vor, hat er eine Handelsspanne von 3 bis 4 Rupien. Daraus resultiert ein monatlicher Deckungsbeitrag von € 300 bis € 600. Nicht schlecht für einen 1-Mann-Mikro-Betrieb.
Seine Ausgaben halten sich in Grenzen. Mitarbeiter hat er keine. Er bezahlt lediglich jemanden 400 Rupien pro Woche für die Reinigung seines Straßenstandes. Steuern, Abgaben oder Standgebühren muss Sandeep, als Einzelunternehmer im informellen Sektor, nicht abliefern.
Sein Lebensstandard ist gut. Natürlich besitzt er Handy und Motorroller. Er hat sogar seinem Vermieter Geld geliehen, sodass er (statt der Zinsen) für seine Unterkunft nichts bezahlen muss. Somit steht ihm quasi sein gesamtes Einkommen frei zur Verfügung. Dieses investiert er zum Großteil in die Ausbildung seiner beiden Töchter, die bald ins College gehen werden.
Man muss anerkennend sagen: Sandeep betreibt ein solides und erfolgreiches Geschäft mit guten Renditen, einer klaren Kostenstruktur und einem großen Absatzmarkt. Mit dieser einfachen Idee sichert er sich und seiner Familie einen vernünftigen Lebensstandard. Ich konnte mich selbst von seinem Geschäftssinn und seiner guter Laune und Humor überzeugen. Ein interessantes Profil eines Kleinstunternehmers, wie es hundert tausende in Indien gibt, im Schatten der Erfolgs-Stories der Tatas, Ambanis, Birlas, Mittals und wie die Industriekapitäne des Landes alle heißen.
(Wolfgang Bergthaler)
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