So gut der tertiäre Bildungsbereich in Indien aufgestellt ist, die großen Sorgenkinder sind die allgemeine Grundschul- und die spezifische Berufsausbildung. In Indien fehlen massiv qualifizierte Facharbeiter und Handwerker, die die Lücke zwischen Ingenieuren mit Universitätsabschluss und unqualifizierten Hilfskräften füllen. Das Konzept der Facharbeiter ist in Indien so gut wie unbekannt. Man bekommt kaum Personal für qualifizierte handwerkliche Arbeit, sei es in der Metallverarbeitung (Schweißer, Dreher etc), Elektrotechnik oder der Baubranche.
Lehrberufe (als duale Ausbildung in Betrieb und Berufsschule) und das breite Angebot an berufsbildenden Schulen in der Sekundarstufe (BHS) sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz einzigartig. Dieser Bereich fehlt in Indien zur Gänze, was vor allem kulturell bedingt ist. Handwerkliche und vor allem körperliche Arbeit, auch wenn sie ein hohes Maß an Fertigkeiten und Wissen verlangt, wird in der indischen Gesellschaft als minderwertig betrachtet und bleibt daher niedrigen Kasten und bildungsfernen Schichten vorbehalten. Diese aus ärmlichen Verhältnissen kommende Personen können durch ihren geringen Bildungsstand niemals zu Fachkräften werden.
Am oberen Ende der Gesellschaftspyramide strebt die Ober- & Mittelklasse quasi vollzählig an die Universitäten, um dann einen „Bürojob“ zu bekommen anstatt sich „die Hände schmutzig zu machen“. Als (Fach)Arbeiter ist man in Indien sozial stigmatisiert. Das käme nicht in Frage.
Am anderen Ende der Skala gibt es hunderte Millionen von ungelernten Hilfsarbeitern, meist im informellen Bereich, wo 97% der Jobs geschaffen werden.
Für diesen riesigen Markt gibt es derzeit kaum ein Bildungsangebot
. Nur etwa 12% der indischen Arbeitskräfte, von mehr als einer halben Milliarde Menschen, verfügen über eine ihrem Job entsprechende Ausbildung – in Mexiko sind es 28%, in den Industriestaaten etwa 80%. Auch die anderen asiatischen Länder wie Indonesien und China forcieren schon seit Jahrzehnten die Berufsausbildung, auch im Rahmen der Schule. Sie haben erkannt das gute Facharbeiter in großer Anzahl essentiell für ihre Fertigungsindustrie und somit auch für den Export sind.
Wenn Indien seine Produktionsressourcen weiter ausbauen möchte, müssen auch entsprechende Ausbildungsangebote geschaffen werden. Derzeit übernehmen diese Aufgabe fast ausschließlich westliche Industrieunternehmen, die allesamt keine geeigneten Fachkräfte vorfinden und daher ihre eigene Belegschaft selbst schulen müssen. Der Staat bietet keine adäquaten Angebote.
Bildungseinrichtungen und Berufsschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz würden in Indien jedenfalls einen jungfräulichen Markt vorfinden und könnten dort reüssieren, vorausgesetzt sie können ihr Angebot und Geschäftsmodell an die indischen Bedürfnisse anpassen. (Wolfgang Bergthaler)
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