Die junge indische Frau steht an einem See, sie hält eine Kerze in ihren Händen. Jeden Morgen kommt sie an diesen Ort, um ihrer toten Mutter zu gedenken – jene Tänzerin, die zu früh starb, aber ihrer Tochter noch ein Versprechen abnahm, sie solle den indischen Tanz in der Welt verbreiten. Die junge Frau betet zu Gott, er soll ihr die geliebte Mutter zurück schicken. Wird sich dieser Wunsch erfüllen?
Romantik, Mythologie, Liebe – klassische Elemente eines Bollywood-Films. Doch dieser Film von Sandeep Kumar ist etwas Besonderes: Er ist der erste rein österreichische Bollywood-Film. “Bis auf eine Szene wurde der gesamte Film in Österreich gedreht; über 100 Österreicherinnen und Österreicher haben ehrenamtlich an dem Projekt mit gewirkt”, sagt Kumar. Die meisten unter ihnen haben so wie Kumar einen Daytime-Job – und so verlagerte sich die Produktionszeit auf Urlaube und Wochenenden; von der ersten Idee bis zur Premiere gestern Abend vergangen zweieinhalb Jahre. Da Kumar als Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler in Personalunion fungierte, konnte die Arbeit zudem nicht aufgesplittet werden – die Szenen konnten nicht gleichzeitig gedreht werden.
Gedacht ist der Film als Demo-Projekt, um ein Bewusstsein für Bollywood zu schaffen. “Bollywood ist in Österreich zwar bekannt, aber nur wenige Filme laufen in den Kinos, weil das Genre noch zu exotisch ist”, sagt Kumar. Bei der Premiere von “Kesariya Balam” hingegen waren 90 Prozent des Publikums Österreicher; viele von ihnen hatten mit diesem Film ihren ersten Kontakt mit dem Genre
. Beim Ansprechen der Zielgruppe passt Kumar sein Produkt an die lokalen Gegebenheiten an: “Kesariya Balam” dauert etwa nur 80 Minuten statt der genreüblichen drei Stunden. Auf andere Faktoren wiederum konnte unmöglich verzichtet werden: Auch hier gibt es bei der Mitte des Films eine “Intermission”, eine dramaturgische Pause.
Der Film selbst ist ein wildes Crossover, ein Aufeinandertreffen von zwei Welten. “Liebe kennt keine Grenzen” ist die korrekte Übersetzung des Filmtitels. Und eben dieser Name ist auch Programm: In den Wiener Straßenbahnen wird gesungen; in den Tiroler Bergen getanzt – Österreich wird zu einer exotischen Bollywood-Schaufläche.
Ist das befremdlich? Im ersten Augenblick ja. Aber dann zeigt Kumar doch, dass diese Mischung funktioniert und eine echte kulturelle Bereicherung darstellt. Die Protagonistin, eine Sängerin des Wiener Lieds, findet sich am Ende des Films in einem Drama aus Tanz und Wiedergeburt wieder – eine Lektion der Horizonterweiterung, die auch das Publikum mit nimmt. Und das ist gut so. (Stefan Mey)
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