Streik legt Indien teilweise lahm – Opposition mobilisiert gegen Inflation

Das öffentliche Leben kam heute in vielen indischen Städten zum Erliegen. Die bunte Opposition, bestehend aus der rechts-gerichteten Hindu-nationalistischen BJP, sowie zahlreicher Linksparteien, riefen zum landesweiten eintägigen Streik (Bandh) gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise auf. Die Kongresspartei, die die Zentralregierung stellt, hatte die staatlichen Subventionen für Treibstoffe gekürzt und weitere Preiserhöhungen angekündigt – und das am Höhepunkt der Inflation. Der Regierung wird Arroganz und Ignoranz der Probleme des “kleinen Mannes” vorgeworfen.

Die Oppositionsparteien konnten ganz besonders in jenen Bundesstaaten mobilisieren, wo sie die Landesregierungen stellen, insbesondere in den von den Kommunisten regierten und Streik-erprobten Bundesstaaten Kerala und West Bengalen, wo heute alles still stand. In der Hauptstadt Delhi ging der Tag vergleichsweise harmlos und ohne größeren Zwischenfälle zu Ende.

Landesweit blieben Schulen, Universitäten und zahlreiche Firmen geschlossen. Der Streik beeinträchtigte besonders das Transportwesen; Busse und Züge wurden angehalten, Straßensperren errichtet, auch der Flugverkehr war betroffen
. In einigen Städten kam es teilweise zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei – es gab hunderte Festnahmen. Die Führer der Oppositionsparteien sprachen jedenfalls von einem großen Erfolg der Aktion. Die Regierung denkt jedenfalls nicht daran von ihren Plänen abzuweichen.

Foto: dpa

Tatsächlich hat die Inflation im Mai mit 10,16% ein 2-Jahres-Hoch erreicht. Verantwortlich waren die Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln. In Indien wird die Teuerungsrate über die Großhandelspreise (einfacher Güter) ermittelt. In Wahrheit ist die Belastung beim Konsumenten noch deutlich höher.

Die Inflation trifft die ärmeren Schichten hart – sie geben den überwiegenden Großteil ihres Einkommens für Reis, Hülsenfrüchte, Gemüse und Milch aus. Abgesehen von ihrer finanziell prekären Lage, lassen sie sich aber auch relativ einfach mobilisieren und politisch instrumentalisieren. Populismus nützen in Indien die politischen Eliten, egal welcher Partei, immer wieder für sich und ihre politischen Ziele aus. Demokratie in einem Land mit 1,2 Milliarden Menschen, 800 Millionen Menschen in bescheidenen oder armen Verhältnissen und 400 Millionen Analphabeten ist von Natur aus eine interessante Übung.

Die urbane Mittelschicht leidet de facto wenig unter den Preiserhöhungen, sympathisiert aber auch weitgehend mit dem Konzept der staatlich festgesetzten und subventionierten (Lebensmittel)preise, die sie noch aus der Zeit der Planwirtschaft vor 1991 kennen. Sie ist es aber auch, die sich an zweistellige Gehaltssteigerungen (pro Jahr) gewöhnt hat oder wegen ein paar Rupien mehr den Job wechselt. Die Einführung der freien Marktwirtschaft in einem Land mit sozialistischem Hintergrund ist nicht immer leicht.  (Wolfgang Bergthaler)

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Wolfgang Bergthaler

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