Meine Reise führte mich in den letzten zwei Wochen von Delhi und Hyderabad nach Berhampur in Orissa – ein Ort der normalerweise nicht auf der Route europäischer Geschäftsleute oder Touristen liegt. Berhampur ist weder aufstrebendes IT- & Technologiezentrum, noch hat es irgendwelche touristischen Sehenswürdigkeiten, die über die Region hinaus bekannt wären. Als Hauptstadt des Distriks Ganjam und drittgrößte Stadt Orissas ist Berhampur ein regionales Handelszentrum und eine traditionell-konservative indische „Kleinstadt“ mit 700.000 Einwohnern – weit weg von den glitzernden Glasfassaden der IT Parks, die ich in Delhi oder Hyderabad gesehen habe. Hier beherrschen noch alte Stahl-Fahrräder und Motorroller die Schlaglöcher der Hauptstraße, und nicht Tata Nanos, Hondas Citys und BWMs. Ich wähne mich eher in einer überbevölkerten Landgemeinde als in einer Stadt, die halb so groß wie Wien ist.
Über einen meiner engsten indischen Freude, der aus Berhampur stammt aber in Delhi lebt, durfte ich einen ambitionierten Sozialunternehmer kennen lernen. Als ausgebildeter Arzt und passionierter Entrepreneur hatte Dr. Debasish die Vision, auch ärmeren Menschen in seiner Stadt und den umliegenden Dörfern leistbare und qualifizierte Gesundheitsleistungen anzubieten. Als Arzt ist man in Indien sehr angesehen und kann gut Geld verdienen – dieser Mann wollte aber mehr sein als nur ein angesehener Arzt. Daher gründete er 2008 das Social Enterprise „Samvab“. Samvabs primäres Ziel ist die medizinische Gesundheitsversorgung alter und bettlägriger Patienten. Aufgrund der mangelnden Infrastruktur und dem Versagen des staatlichen Sektors bietet Samvab in Berhampur zusätzlich eine medizinische Notfallversorgung und eine sowohl präventive als auch kurative medizinische Versorgung in fünf Hausarztpraxen für Personen unterschiedlicher Altersgruppen an. Die Leistungen werden von der Mittelklasse genauso gebraucht, genutzt und geschätzt wie von den mittellosen Patienten.
Ziel von Samvab ist es, pro hundert „Zahlpatienten“ fünfzig mittellosen Patienten kostenlose, beziehungsweise extrem vergünstigte Gesundsheitsdienstleistungen anzubieten. Innerhalb von nur zwei Jahren konnte Samvab bereits 3000 Mitglieder und Kunden im urbanen Raum von Berhampur gewinnen. Mit den derzeitigen Einnahmen ist Samvab nicht nur selbst finanzierend, sondern kann auch bereits ein paar hundert armen Patienten eine kostenlose medizinische Grundversorgung garantieren, sowie sein Modell auf die umliegenden Dörfer ausrollen. Das Unternehmen finanziert sich zu 100% ohne Spenden oder Fördergelder.
Um noch mehr armen Menschen (auch in den Dörfern rund um Berhampur) Zugang zu Gesundheits-Vorsorge und Notfallversorgung zu ermöglichen, unterstützt „Indische Wirtschaft“ in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein Maya ONE die Aktivitäten von Samvab in Berhampur. Für 80Familien übernehmen wir die Kosten für deren lebenslange Mitgliedschaft (Family-Health-Backup-Card)
. Dadurch haben diese Familien ab sofort eine 24-Stunden-Absicherung für Notfälle, Rettungstransport, telefonische Arzt-Konsultierung, Elektronische Speicherung von Patientendaten und eine kostenlose fach-medizinische Beratungen in den stationären Einrichtungen von Samvab. Weitere Spezial-Leistungen, Laboruntersuchungen bis hin zum Fitness-Center für Rehabilitation können gegen ein entsprechendes Zusatz-Entgelt von den Mitgliedern in Anspruch genommen werden.
All diese Leistungen gab es bis jetzt in der Stadt noch nicht. Die Mängel des staatlichen Gesundheitswesens eröffnen genug Geschäftsmöglichkeiten mit einem starken sozialen Mehrwert. Die für die Region und Kundenbedürfnisse maßgeschneiderten neuartigen Leistungen ließ Samvab in kurzer Zeit schnell wachsen. Durch schlanke Kostenstrukturen und einen starken Kundenfokus ist Samvab im Distrikt Ganjam Innovations-, Qualitäts- und Preisführer, sowie gleichzeitig Social Entrepreneur.
(Wolfgang Bergthaler aus Berhampur)
Interview zu Samvab auf http://blog.ennovent.com/2010/06/doctors-on-call-doorstep-healthcare-samvab/
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