Zwischen Weihnachten und Neujahr gönnte ich mir auch ein paar Tage Auszeit. Abseits von den großen Städten, zwischen denen ich so oft hin und her geflogen bin, besuchte ich zwei typische Touristen-Destinationen, um dort mit zwei Freunden aus Österreich auszuspannen: nämlich das Strand-Paradies Goa und die alte Tempelstadt Hampi. Beide Destinationen sind die südindischen Hochburgen der Backpacker, Hippies und Aussteiger
. Es war auch für mich ein eigenartiges Gefühl, am Abend ganz unter Deutschen, Engländern und Israelis auf einer Dachterrasse oder am Strand zu sitzen (vulgo „abzuhängen“ oder neudeutsch „zu chillen“) und drittklassiges Essen zu überhöhten Preisen zu konsumieren. All diese Restaurants kochen nicht mehr indisch und noch nicht europäisch. Das ist aber schon die einzige Klage, sonst war alles perfekt. Trotz Hochsaison waren die Stände alles andere als überfüllt, die Stimmung entspannt, die Leute nett, Infrastruktur super, das Meer ein Traum, die Landschaft atemberaubend. Ein wunderbarer und erholsamer Urlaub.
Der Hippie als besserer Inder?
Ich hab es sehr genossen – im Gegensatz zu den „Hippies“, die ich kennen lernen „durfte“. In dieser Community hörte ich genug Wehklagen und Jammern. Früher sei alles viel besser, originaler, authentischer, billiger gewesen – nach deren Definition … „indischer“. Sie, die seit Jahren immer wieder kommen und durchs Land ziehen, sehen sich gerne als bessere Inder: bescheiden, antikapitalistisch, Konsum-verweigernd, frei von allen weltlichen Begierden und technologischen Fortschritt, auf der Suche nach der Erleuchtung. Ein Handy zu besitzen oder ein „Erste Klasse“-Zugticket zu kaufen, gilt quasi schon als Todsünde unter Backpackern. Nach deren Ansicht dürfe es in Indien keinen Fortschritt geben. Jede Art von wirtschaftlicher Entwicklung, Kommerzialisierung und Konsum sei nicht erwünscht und zerstöre die „indische Authentizität“.
Verkehrte Welt
Dabei sehen sie nicht, dass in Indien eigentlich eigentlich ganz andere Wertvorstellungen vorherrschend sind. Zu den wichtigsten Werten der indischen Kultur zählen Statusdenken, Erfolgsstreben und wirtschaftlicher Wohlstand und Reichtum. Aber auch traditionelle Werte wie Religion, Familie, Senorität, Pflichterfüllung und Nationalstolz sind von großer Bedeutung. All diese Werte, die Materialistischen sowie die Traditionellen, sind in Indien wesentlich stärker ausgeprägt als bei uns in Mitteleuropa. Und die Hippies dürften damit eigentlich überhaupt nichts anfangen.
>> Fortsetzung morgen
(Kommentar von Wolfgang Bergthaler)
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.