Die Inder sind tendenziell ein kommunikationsfreudiges und neugieriges Volk. Sie interessieren sich besonders für Ausländer, die durch Indien reisen und möchten gerne mehr über deren Herkunft erfahren und ganz nebenbei noch an ihren Englisch-Kenntnissen feilen.
Dem indischen Standard-Schema für Konversationen mit Ausländern entsprechend, kommt nach der ersten Frage „What’s your name?“ mit Six-Sigma-Wahrscheinlichkeit „What’s your country?“. Als Österreicher haben sie nun folgende Möglichkeiten zu antworten:
- Variante 1: Als absoluter Patriot artikulieren Sie mit ihrem besten Englisch „Austria!“. Wiederholen sie nochmals laut und deutlich „A-u-s-t-r-i-a!“. Trotzdem wird zu 99% lediglich „Australia“ beim Gegenüber ankommen. Im besten Fall können sie ihn auf „Austraria“ herunter handeln.
Die junge Konversation wird nun schnell mit der Frage nach ihrem Lieblingsspieler der australischen Cricket-Mannschaft abgleiten. Damit kann sich das Blatt blitzschnell zu ihren Ungunsten wenden und sie stehen genauso unwissend da, wie ihr Gesprächspartner zwanzig Sekunden zuvor.
- Variante 2: Als erfahrener Indien-Traveller wollen Sie sich weder mit ambitionierten indischen Kommunikationstalenten, noch mit Kängurus und Ricky Ponting (Kapitän der australischen Cricket-Mannschaft) auseinandersetzen und antworten mit etwas zögernder Stimme trotz ihrer Herkunft mit einer Notlüge: „Germany!“
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Damit gönnen sie dem Fragenden ein Erfolgserlebnis und schicken ihn geistig zumindest nicht ans andere Ende der Welt. Aber auch diese Strategie birgt ihre Risiken: Sie könnten es mit einem der Abermillionen Hitler-Anhänger zu tun haben. Der Führer gilt in Indien noch immer als großer Kämpfer für die arische Rasse, zu der sich die (Nord)Inder zählen, mit ausgeprägten „Leadership“-Qualitäten. Nun droht eine noch mühsamere Diskussion als jene um Runs & Wickets.
- Variante 3: Sie antworten höflich aber distanziert „Switzerland“ und ihr Gesprächspartner wird sie verehren wie einen seiner Götter. Die Schweiz gilt in Indien als exotisches Paradies in den Bergen, als Eldorado mit unberührte (=nicht verschmutzte) Natur und die Alpengipfel als Sitz der Götter. Wenn es schon nicht das Nirvana ist, dann wähnt sich der Inder zumindest in dessen Nähe.
Abgesehen davon ist die Schweiz ein Synonym für Gold und Geld, Uhren und Luxusartikel sowie Schokolade – alles Dinge, die der Inder gerne hat. Vielleicht ist gerade deshalb die Schweiz eine echt starke Marke, sodass jeder (!) Inder damit etwas (positives) assoziiert. Im Gegensatz zu Österreich, das dort leider keiner kennt. Damit können wir unseren nationalen Minderwertigkeitskomplex in Indien leider nicht therapieren.
Warum die Schweiz in Indien einen derart guten Ruf besitzt (und Österreich eben nicht) lesen Sie morgen als Fortsetzung auf „Indische Wirtschaft“.
(Kommentar von Wolfgang Bergthaler)
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