Neben Indien gehört auch „Co-Working“ zu meinen großen Leidenschaften. Seit mehr als zwei Jahren bin ich Teil der Konnex-Community, der ältesten, größten und bekanntesten Co-Working Gemeinschaft Österreichs. Ich verbringe einen Großteil meiner Frei- & Arbeits-Zeit im Rochuspark, der inzwischen zu meinem Lebensmittelpunkt geworden ist. So sitze ich auch diesen grauen Sonntag-Nachmittag in meiner persönlichen Arbeitsecke und schreibe diesen Blog-Artikel – unter (Zimmer) Palmen und meinem Sonnenschirm, der mich auf den Sommer hoffen lässt. Auch am Sonntag treffe ich hier ein paar Gleichgesinnte, die noch ein paar Aufgaben der letzten Arbeitswoche zu Ende bringen beziehungsweise sich für die kommende Woche vorbereiten. Wir gönnen uns eine kurze Tischtennis-Partie und einen gemeinsamer Kaffee um über unsere Arbeit zu reden.
Co-Working ist (m)eine Lebenseinstellung
Wer mich persönlich kennt, kennt auch mein Büro und das zu Grunde liegende Konzept. Für alle anderen ein kurzer Erklärungsversuch von Wikipedia:
Co-working ist ein sich seit einigen Jahren abzeichnender Trend im Bereich Neue Arbeitsformen. Freiberufler, Kreative, kleinere Startups oder digitale Nomaden, die unabhängig voneinander agieren oder in unterschiedlichen Firmen und Projekten aktiv sind, arbeiten in meist größeren Räumen zusammen und können auf diese Weise voneinander profitieren. Co-Working stellt Arbeitsplätze und Infrastruktur (Netzwerk, Drucker, Scanner, Fax, Telefon, Beamer, Besprechungsräume) … zur Verfügung und ermöglicht die Bildung einer Gemeinschaft („Community“) … So geschaffene Räumlichkeiten werden auch „Co-Working Spaces“ genannt.
Die Grenzen von Arbeit und Freizeit verschwimmen (wieder). Eigentlich ist das nichts Neues – vor der Industriellen Revolution war unser Leben auch so (ähnlich) organisiert. Wie arbeiten, spielen und feiern gemeinsam.
Ob dieses Konzept nun aus San Francisco oder gar aus Wien stammt, kann nicht klar gesagt werden. Fakt ist aber, dass in den letzten paar Jahren weltweit etwa 600 Co-Working Spaces entstanden sind, die meisten davon in den USA und Westeuropa.
Mehr als nur ein physischer Arbeitsplatz
Die Vorteile für den selbstständigen Wissensarbeiter liegen klar auf der Hand. Anstatt am Nachmittag noch mit Pyjama und Kaffeehäferl vor dem Laptop im „Home-Office“ herum zu hängen oder täglich von Starbucks zu Starbucks zu ziehen, teilt man sich mit Gleichgesinnten ein chices Loft. Neben der gemeinsamen Büro-Infrastruktur teilt man seine Erfahrungen, Inspirationen, Probleme und Erfolgserlebnisse sowie ein gemeinsames Netzwerk. Co-Working hält die Kosten für ein überdurchschnittliches Büro-Ambiente überschaubar und schafft Synergie-Effekte. Besonders gerne co-worken freie Kreative, Entrepreneure im Bereich der neuen Medien und der Internet-Szene sowie Selbststände aus dem Marketing- und PR-Bereich.
Co-Working ist nichts für Indien!
Während meiner letzten Indien-Reise habe ich den derzeit einzigen Co-Working Space Indiens besucht. Der „Hub Bombay“ ist Teil eines internationalen Netzwerks, das insbesondere „Social Entrepreneurs“ umfasst.
Die Community des „Hub Bombay“ entwickelt sich schon ganz gut. Sozialunternehmer haben einfach den richtigen Mindset fürs Co-Working. Sonst glaube ich aber nicht an Co-Working in Indien:
- Indien hat keine (richtige) Freelancer-Kultur. Die Meisten suchen die Sicherheit, das Prestige sowie die finanziellen Vorteile für einen großen Konzern zu arbeiten. Andere arbeiten am eigenen Start-Up – und Unternehmensgründungen in Indien starten größer und skalieren schneller als bei uns und passen somit nicht in einen klassischen Co-Working-Space.
- Die Immobilien-Preise in den großen indischen Metropolen sind ein Vielfaches von jenen in Wien, Berlin oder Prag
. Daher ist ein cooles Büro weder für eine Gruppe von Kreativen leistbar, noch für den Betreiber ein Business-Case. Am ehesten könnte man noch ein Apartment als Büro adaptieren. Da wird es aber wohl am Flair und der Fläche fehlen. - Inder schätzen Service. Eine Bürogemeinschaft ohne Dienstpersonal ist unvorstellbar. Wenn aber jeder Mieter seinen eigenen Assistenten, Tea-Boy oder Laufburschen mitnimmt, braucht es eher ein klassisches Office-Center mit eigenen Kabinen als ein sich weitgehend selbst managendes Büro ohne Hierarchien.
- Daraus folgt auch, dass der Management-Overhead eines indischen Gemeinschaftsbüros wesentlich höher ist als in Europa.
- Wettbewerb und Konkurrenz-Denken sind in Indien sehr stark ausgeprägt. „Teilen“ (von Information, Kontakten und letztendlich auch Arbeitsfläche) sowie „Vertrauen“ gehören nicht zu den Charakterzügen eines indischen Selbstständigen oder Entrepreneurs.
Aus den oben genannten Gründen sehe ich heute für Co-Working in Indien, in der im Westen praktizierten Form, keine Chance. Dort hätten Business-Center (abgeschlossene Büros á la Regus oder Mingo) in guter Lage großes Potential. Ebenso wie Inkubatoren für Tech-Start-ups, die durch Investoren oder große Firmen gefördert und betrieben werden.
(Kommentar von Wolfgang Bergthaler)
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.