Kommentar: WLAN-Wunderland und andere Märchen

Im Rahmen unserer Medienbeobachtungen sind uns in den vergangenen Tagen gleich zwei Artikel aus dem deutschen Sprachraum untergekommen, die steif und fest behaupten, in Bangalore gebe es flächendeckendes WLAN für die ganze Bevölkerung. Einer der beiden Artikel, in einer namhaften deutschen Zeitung publiziert, setzte gar noch ein paar Punkte drauf: In Bangalore reihten sich die Autos brav aneinander, statt die Verkehrsregeln zu missachten; es gebe keine armen Menschen auf der Straße; öffentliche Mülltonnen verhindern Verschmutzung durch Abfall; die neue Metro verkehre schon auf einigen Strecken – aber auch hier gebe es überall offenes WLAN, schreibt die Autorin.

Ich weiß nicht, wo die werte Journalistin war – aber definitiv nicht in Bangalore.

Bei aller Liebe zu diesem Land müssen wir doch darauf hinweisen, dass hier nicht immer alles rosig ist – erst Recht nicht in Bangalore. Anders als in westlichen Medien propagiert, regiert auch hier das Chaos, und zwar vielleicht sogar mehr als an anderen Orten: Da sich Bangalore innerhalb nur weniger Jahre von einer kleinen Stadt zum Anzugspunkt für die IT-Industrie gemausert hat sind die Straßen der südindischen Metropole teils gar verstopfter als jene in Bombay. Hilft dagegen die neue Metro? Ja, tut sie – aber nur auf einer einzigen kurzen Strecke, die sich vom Stadtzentrum ostwärts bewegt – und das von der Stadt versprochene WLAN haben wir im eigenständigen Test trotz mehrmaliger Versuche dort nicht entdeckt… ja, überhaupt: Offenes WLAN fanden wir nur in wenigen Cafes; eines davon – das Matteo – dreht sonntags das WLAN ab, weil sonst zu viele Menschen web-surfend die gemütlichen Sofas blockieren, statt nach einem kurzen Espresso gleich wieder ins Büro zu hechten.

Müssen wir jetzt enttäuscht sein? Nein
. Denn wenn die Medien – unseres eingeschlossen – Bangalore als “Silicon Valley Indiens” bezeichnen, dann meinen wir etwas ganz anderes, als manche Menschen glauben. Bangalore ist nicht so schimmernd, steril, aufgeräumt und diszipliniert wie sein Vorbild aus den USA – viel mehr geht es um die Menschen: Denn hinter dieser Oberfläche aus Dreck, Schmutz und Lärm verbirgt sich ein Aufbruchcharakter, ein unternehmerischer Geist, den es sonst nur in der Gegend südlich San Franciscos gibt. Und genau das lieben wir so an dieser Stadt – mit dem Dreck, tja, mit dem müssen wir halt ebenso leben wie mit nicht vorhandenen offenen WLANs. (Stefan Mey)

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von

Wolfgang Bergthaler

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