Die indische Volkswirtschaft gerät immer tiefer in den Krisenstrudel. Die Tage der Hochzinspolitik sind gezählt. Auch die indische Notenbank muss jetzt den Spagat üben zwischen Impulsen für die erlahmende Wirtschaft und Maßnahmen gegen die davongaloppierende Inflation.
Im Kampf gegen die rasante Konjunkturabkühlung erwägt Indien als letztes der großen Schwellenländer eine Abkehr von der Hochzinspolitik. Die Notenbank der drittgrößten asiatischen Volkswirtschaft entschied, nach 13 Zinserhöhungen seit März 2010 vorerst eine Pause einzulegen. Zugleich signalisierte die Reserve Bank of India (RBI) die Bereitschaft, nächstes Jahr mit einer Zinssenkung auf die Risiken für das Wirtschaftswachstum zu reagieren.
Auf diese Meldungen hin steig die Rupie letzten Freitag innerhalb von einer guten Stunde um 2 Prozent im Vergleich zum Euro beziehungsweise US-Dollar.
“Wenn von der Wachstumsfront noch weitere schlechte Nachrichten kommen, rückt eine Senkung näher”, meint Ökonomin Anubhuti Sahay von Standard Chartered, die mit einer geldpolitischen Lockerung im Frühjahr rechnet. Noch im Oktober hatte sich die Notenbank mit einer Zinserhöhung auf 8,5 Prozent gegen den steigenden Preisdruck gestemmt. Die Inflationsrate liegt trotz zuletzt rückläufiger Tendenz immer noch bei über neun Prozent. Mit der geldpolitischen Straffung stand die indische Zentralbank im Kreis der Schwellenländer jedoch bereits weitgehend allein, da China, Brasilien und auch Indonesien bereits auf einen konjunkturstimulierenden geldpolitischen Kurs umgeschwenkt sind.
Drahtseilakt für die Notenbank
Indien hatte im Sommerquartal mit einem Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 6,9 Prozent das langsamste Wachstumstempo seit mehr als zwei Jahren angeschlagen. Die Landeswährung Rupie bekam dies zu spüren: Die Notenbank musste zur Stabilisierung sogar am Markt intervenieren, nachdem sich der Kurs der Rupie am Donnerstag im Vergleich zu ihrem Juli-Höchststand um rund ein Fünftel verbilligt hatte. Der Verfall der Währung hatte bei Investoren Alarmstimmung geschürt. “Die Zentralbank muss einen Drahtseilakt vollführen
. Sie kämpft an vielen Fronten gleichzeitig: Wachstum, Rupie und Inflation”, meint Volkswirt Jagannadham Thunuguntla von SMC Global Securities.
Manche Analysten bezweifeln, dass das Schwellenland in dem Ende März 2012 zu Ende gehenden Haushaltsjahr noch ein Wachstum von sieben Prozent schaffen wird. Im Vorjahr waren es noch 8,5 Prozent. Die Prognosen passen zu der düsteren Prophezeiung der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, wonach kein Land der Welt gegen die von Europas Schuldenproblemen ausgehende Krise immun ist.
(Reuters)
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