Anruf bei Air India.
Ich: „Guten Nachmittag. Ich habe einen Flug von Mumbai nach Wien am 30.3. und würde ihn gerne auf den 14.3. umbuchen.”
Freundliche Stimme am andere Ende der Leitung: „Sir, bitte sagen Sie mir Ihre Buchungsnummer.”
Ich: „Selbstverständlich. Sie lautet 4BCD3F.”
Freundliche Stimme: „Sir, bitte sagen Sie mir Ihre Buchungsnummer.”
Ich: „Achso, das ist anscheinend die falsche. Warten Sie, da steht noch eine Rechnungsnummer: 9A-LMIADBCC666.”
Stimme: „Sir, bitte sagen Sie mir Ihre Buchungsnummer.”
„Wissen Sie, das ist anscheinend etwas komplizierter… Ich habe das Ticket über ein deutsches Reisebüro gebucht, der Flug ist auf Sie registriert und wird von Austrian Airlines durchgeführt.”
„Sir, bitte sagen Sie mir Ihre Buchungsnummer.”
„Ja, ähem… wie gelange ich denn an diese? Offensichtlich sind die Daten auf meinem deutschen e-Ticket nur in Europa gültig. Was muss ich tun?”
„Sir, bitte sagen Sie mir Ihre Buchungsnummer.”
Das Gespräch hat an Dynamik verloren. Ich lege auf.
Situationen wie diese sind kein Einzelfall. Als auf der Website cleartrip.com – eine Art indisches Tripadvisor – drei Mal in Folge die Buchung einer Zugfahrt scheiterte, rief ich im Call Center an. Dort versichert man mir wiederholt, ich solle mir keine Sorgen machen: Meine Kreditkarte sei mit dem Preis von umgerechnet drei Euro nicht belastet worden. „Das ist mir relativ egal”, sage ich: Mir ist wichtiger, dass ich meine Zugfahrt buchen kann. „Keine Sorge”, sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung: „Ihre Kreditkarte ist nicht belastet worden.”
Auch das Zahlungssystem der Website redbus.in – hier kann man klimatisierte Busse durch ganz Indien buchen – versagt nicht selten. Nachdem meine Kreditkarte drei Mal abgewiesen wurde, versuche ich mein Glück im Call Center: Dort bittet man mich wiederholt, den Buchungsprozss nochmals auszuprobieren, erfragt meine Telefonnummer und meinen Namen
. Als ich mich wenige Minuten später ein Mitarbeiter zurück ruft und mir anbietet, mich „durch den Buchungsprozess zu leiten”, bin ich schon längst zum Konkurrenten makemytrip.com gewechselt, bei dem die Buchung problemlos funktioniert.
Was ist in den drei Fällen passiert? Simpel auf den Punkt gebracht: Kastensystem. Im Rahmen der hinduistischen „Bhagavad Gita” erklärt der Gott Krishna einem Krieger, der nicht kämpfen will, das Konzept des „Dharma”: Jeder Mensch, so die Aussage, hat in seinem Leben eine Aufgabe für die Gesellschaft zu erfüllen, und an diese muss er sich halten. Für den Krieger bedeutet das, dass er töten muss; der Priester arbeitet im Tempel – und der Call Center-Mitarbeiter muss nach einem Schema F arbeiten, bei dem er dem Kunden Fragen stellt, die mit der eigentlichen Problemstellung nichts zu tun haben.
Problemlösungskompetenz ist hier nicht gefragt. Und das frustriert Kunden – nicht nur mich, sondern vermutlich alle westlichen Klienten, die bei dem Unternehmen Ihres Vertrauens anrufen und nicht jene Hilfe erhalten, die sie sich eigentlich erwarten.
Unternehmen sollten sich folglich zwei Mal überlegen, ob sie ihr Call Center nach Fernost auslagern wollen. Klar, Kosten können hier gespart werden – doch ein solcher interkultureller Clash vergrault Frau Kunze aus Buxtehude, die absolut keine Lust hat, sich mit Dharma und Karma zu beschäftigen. Dann geht sie zur Konkurrenz; und die Einsparungen für Personal gehen auf Kosten des Umsatzes.
Allein deswegen sollten Call Center westlicher Unternehmen auch im Westen bleiben – mal abgesehen davon, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen im Inland ein paar schöne Zeilen im nächsten CSR-Bericht hermacht. (Kommentar von Stefan Mey)
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