Bloggen zahlt sich aus. Vor ein paar Wochen erhielt ich eine e-mail von Dr. Wido Menhardt, dem CEO des Philips Innovation Campus in Bangalore. Er hatte im Netz nach Jugaad gesucht und meine Artikel auf „Indische Wirtschaft“ gefunden, mich angeschrieben und spontan eingeladen. So hatte ich letzten Montag die einzigartige Gelegenheit mit dem obersten R&D Chef von Philips in Indien eine Stunde über Innovation zu diskutieren.
Am Campus arbeiten etwa 2.000 Ingenieure, in den drei Geschäftsbereichen Healthcare, Lighting & Consumer Electronics, an den Philips-Produkten der Zukunft. Nur fünf davon sind so genannte Expats. Man kommt hier so gut wie ohne europäisches Management aus. Aber wie sooft in Multinationalen Konzernen steht noch ein Manager aus Europa an der Spitze der Auslands-Tochter. So leitet auch hier der gebürtige Österreicher und Kosmopolit Menhardt das Unternehmen – und das noch bis mindestens 2013. Drei Jahre dauert typischerweise ein Auslandseinsatz. Menhardt hat hier noch viel vor und wird seinen Vertrag deshalb wahrscheinlich verlängern. Aber die interne Konkurrenz ist stark. Indien ist einer der spannendsten und dynamischsten Märkte. Konsolidierung, Einsparungen und Rezession sind in Bangalore Fremdwörter. Dementsprechend begehrt sind hier die Management-Posten. Alle Zeichen stehen auf Wachstum. Der Philips-Campus in Bangalore zählt zu den Größten und hat Konzern-intern eine wichtige Bedeutung. Vertreter des Vorstands kommen, laut Menhardt, wesentlich öfter nach Bangalore als zu einzelnen Standorten in den Vereinigen Staaten, wo er vorher im Unternehmen tätig war. Als Manager in Indien steht man heute mehr denn je im Fokus. Hier spielt nämlich die Musik.
Die Wertschöpfungskette Schritt für Schritt nach oben
Der Philips Innovation Campus ist ein interner Dienstleister und Cost-Center, das alle drei Geschäftsbereiche servisiert. Hier werden selbst keine (realen) Umsätze erwirtschaftet, sondern lediglich Innovation betrieben und diese bis zur Marktreife gebracht. In Bangalore entwickeln die Teams Produkte für den Westen aber auch für das „low-cost“-Segment der Emerging Markets, im Philips Jargon „Value Markets“. Außerdem betreibt Philips hier auch Grundlagenforschung. Die Hälfte aller Mitarbeiter gehören immer noch zum Bereich Software-Entwicklung, mit dem man hier 1996 auch gestartet hat und der immer noch eine wichtige Rolle spielt.
Als man begann in Indien Ressourcen aufzubauen stand das Kostenargument absolut im Vordergrund. Es ging vor allem darum durch Outsourcing Kosten zu senken. Da die Gehälter in Indien aber rasant steigen und qualifizierte technische Fachkräfte jährlich um 10 bis 20 Prozent teurer werden, wird das „Kosten“-Argument täglich schwächer. In den letzten Jahren wurde aus dem Software (Outsourcing) Center ein „Product Center“. Zahlreiche Business-Units inklusive Marketing und Business-Development sind heute Teil des Philips Innovation Campus und nicht irgendwo overseas. Damit wird der Innovationsprozess immer öfter in Indien getriggert
. Dass die Gesamtverantwortung in Indien liegt, wird von den Mitarbeitern auch honoriert. Deren Motivation ist damit wesentlich höher als bei reinen Outsourcing-Zentren anderer Konzerne.
Personalmanagement als Königsdisziplin
Ein entscheidender Vorteil am Standort Bangalore ist, dass man hier innerhalb weniger Wochen hunderte Ingenieure finden und beschäftigen kann. Nirgendwo auf der Welt steht so viel (qualifiziertes) Personal zu so günstigen Konditionen zur Verfügung wie in Bangalore. Infosys & Co rekrutieren hier pro Jahr mehrere 10.000 Absolventen direkt vom Universitäts-Campus um sie dann sechs Monate lang zu schulen und einsatzfähig zu machen. Philips kann da natürlich nicht mithalten. Das niederländische Unternehmen, das seit 1930 im Land ist, verfügt aber in Indien über einen ausgezeichneten Ruf. Philips ist eine alt-eingesessene Qualitäts-Marke, positiv besetzt und damit der Elterngeneration sehr bekannt. Da die Eltern bei der Jobwahl ihrer Kinder auch ein Wörtchen mitzureden haben, ist das für Philips als Arbeitgeber natürlich von Vorteil. Als niederländisches Unternehmen ist man für seine europäischen Werte bekannt. Statt „hire & fire“ steht die Personalmarke Philips hier für work-life-balance, ein Begriff, der in Indien noch nicht so präsent ist, aber von den eigenen Mitarbeitern geschätzt wird. Philips punktet auch durch viele Sozialleistungen für deren Mitarbeiter samt Familie.
Menhardt erkennt bei Indern sehr oft, dass sie etwas für ihr Land tun wollen. Immer mehr Inder wollen – anstatt für amerikanische Banken Software zu programmieren – einen Beitrag zur positiven Entwicklung ihres Landes leisten. Seit dem Antritt von Dr. Menhardt als CEO des Innovation Campus war seine Mission mehr Produkte für Indien zu entwickelt, insbesondere im Value-Segment. Das kommt Philips jetzt doppelt entgegen: als attraktiver Arbeitgeber, das Talente anzieht, aber auch als Unternehmen, das die neuen Märkte an der Base of the Pyramid (BOP) erkannt hat.
— Fortsetzung folgt morgen —
(Wolfgang Bergthaler)
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