Gastbeitrag zu “Indovation”, von Stephan Mittelhäuser, Redaktion IndienContact des OWC-Verlags für Außenwirtschaft: www.owc.de/indien
Indische Ingenieurskunst vereint mit deutscher DNA
Indien hat sich in den letzten Jahren hinter China und den USA zum weltweit drittgrößten Lkw-Absatzmarkt entwickelt. Bislang dominieren einheimische Hersteller wie Tata Motors und Ashok Leyland das Geschehen. Seit Jahren versuchen europäische Anbieter in Indien Tritt zu fassen, taten sich bislang jedoch mit ihren vergleichsweise teuren Fahrzeugen schwer. Gefragt sind günstige und zugleich zuverlässige Fahrzeuge. Denn die teils widrigen Straßenverhältnisse verlangen Lkw und Fahrer einiges ab. Nun will Daimler mit einer eigens für den indischen Markt entwickelten Lkw-Marke Gas geben. „BharatBenz steht für unser langfristiges Engagement in Indien. Es ist eine gelungene Synergie indischer Ingenieurskunst und deutscher DNA“, so Marc Llistosella, CEO von Daimler India Commercial Vehicles. Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche ist sich sicher: „Man kann hier nur erfolgreich tätig sein, wenn man lokale Produkte anbietet.“ Im hohen Lokalisierungsgrad der Produktion sieht er den Schlüssel zum indischen Markt. Die Lkw werden mit einem heimischen Wertschöpfungsgrad von 85 Prozent hergestellt.
Indien-spezifische Anforderungen
Die im neuen Werk in Oragadam in der Nähe von Chennai gefertigten Fahrzeuge basieren auf der Plattform des Mercedes-Modells Axor und der Canter-Baureihe des zum Daimler-Konzern gehörenden Herstellers Mitsubishi Fuso. Doch einige Teile wurden den lokalen Anforderungen angepasst. So sind beispielsweise die Achsen der leichten Lkw verstärkt, denn Überladung ist in Indien allgegenwärtig. Die Federung ist härter eingestellt und somit den indischen Straßenverhältnissen angepasst. Auf aufwändige Elektronik wurde weitgehend verzichtet – so gibt es keinen Brake Assist oder Müdigkeitswarner für den Fahrer. Dafür verfügen die Kabinen über eine Gepäckträgervorrichtung sowie eine höhere Dachlast, denn die Fahrer transportieren oft Gepäck und Zelte auf dem Dach. Des Weiteren gibt es eine Abdichtung der Fahrzeugelektronik gegen zu viel Wasser während der Monsunzeit. Zusätzlich findet sich eine Sicherung der Batterien gegen Diebstahl sowie eine flexible Befestigung für den Tank – indische Unternehmer befestigen häufig größere Tanks als die Standardmodelle.
Daimler geht davon aus, dass in Indien künftig verstärkt Fahrzeuge mit besserer Qualität und Effizienz nachgefragt werden – Experten nennen diesen Prozess „Race to the middle“. Daimler selbst nennt das neue wachstumsträchtige Nachfragesegment „Modern Domestic Segment“
. Genau dieses will der Hersteller mit den BharatBenz-Modellen bedienen – technisch anspruchsvolle Lkw, die jedoch durch Verzicht auf kostspielige Extras zu erschwinglichen Preisen angeboten werden können. Nach Angaben von Daimler werden die Lkw im Vergleich zu den Fahrzeugen der Konkurrenz mit einem Preisaufschlag von drei bis neun Prozent angeboten – verfügen aber zugleich über eine Treibstoffeffizienz, die um zehn bis 15 Prozent höher ausfällt.
Wertschätzung und Identifikation
Ende September 2012 gab Daimler den Startschuss für den Verkauf der Lkw. Das Angebot an Modellen in der Gewichtsklasse sechs bis 49 Tonnen soll bis 2014 auf insgesamt 17 steigen. Neben dem technischen zählt auch der emotionale Aspekt: Die Inder sollen die Fahrzeuge nicht nur kaufen, sondern sich mit ihnen identifizieren. Bharat ist in der Landessprache die Bezeichnung für Indien. „Indien Benz“ – mit der Namenswahl soll die Verbundenheit des Herstellers zum Subkontinent und zugleich die technische Kompetenz und Erfahrung, die in den Fahrzeugen steckt, zum Ausdruck kommen. Die deutschen und asiatischen Pkw-Hersteller in den USA dienen als Vorbild. Deren Fahrzeuge werden nach jahrelanger lokaler Fertigung von den Kunden als US-amerikanische Produkte wahrgenommen und geschätzt.
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