Geschichte und Zukunft von Globalisierung und Handel; Event-Tipp Südnovation

Seit Jahrtausenden treiben die Völker der Erde Handel. Schon in der Antike und im Mittelalter transportierten Karawanen und Nomaden kostbare Produkte über weite Strecken von Asien nach Europa. Die Seidenstraße oder Gewürzestraße sind heute noch legendär. Man kann davon ausgehen, dass der Handel zu jener Zeit allen Beteiligten nutzte, vielleicht sogar sogar fair-trade war.

Ende des 15. und zu Beginn des 16.Jahrhunderts gingen die europäischen Völker – durch ihre technologische Überlegenheit (Seefahrt, Waffen, später Industrialisierung) – vom gegenseitigen Handel zu Plünderung und Kolonialisierung über. Schon Christoph Columbus und seine Investoren waren getrieben vom Motiv der Profit-Maximierung. Ein effizienterer und billiger Transport-Kanal nach Indien sollte gefunden werden. Dass er dann ein ganz anderes Ziel erreicht hat als ursprünglich geplant, ist Ironie des Schicksals.

Welthandel und Globalisierung “at its best”: Import von Rohstoffen aus Ländern des Südens

Die Entdeckung von Amerika könnte man aus heutiger Sicht quasi der Beginn von Globalisierung und Welthandel bezeichnen. Was die Spanier und Portugiesen begannen, setzten die Holländer und Franzosen fort und trieben die Briten zur Spitze. Nach dem ersten Weltkrieg beherrschte der ursprüngliche kleine Inselstaat ein Viertel der von Land bedeckten Erdoberfläche sowie ein Viertel der damaligen Weltbevölkerung.

Mit der (British) East India Company wurde bereits 1600 der erste Multinationale Konzern der Welt gegründet, der sich in den folgenden Jahrhunderten neben der wirtschaftlichen auch als politische Markt festigte und für die britische Krone den indischen Subkontinent vollständig kolonisierte.

manchesterGroßbritannien erfuhr durch die Industrielle Revolution im 18. und 19. Jahrhundert einen höheren Lebensstandard und breiteren Wohlstand. Die damit einhergehende Nachfrage und industrielle Produktion im Mutterland hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf den Überseehandel. Seither wurden nicht nur kostbare Luxus-Produkte wie Tee oder Gewürze gehandelt, sondern erstmals auch Rohstoffe im großen Stil. Am Höhepunkt der Kolonisation wurde ein Großteil der Baumwolle Indiens nach England geschifft um sie dort in den neu entstandenen Fabriken zu Stoffen zu verarbeiten. Die Fertigprodukte wurden dann zum Teil wieder nach Indien exportiert. In Indien selbst gab weder eine nennenswerte Wertschöpfung, nach eine technologische Weiterentwicklung. Die Industrielle Revolution hat (bis heute) in Indien nicht stattgefunden.

Dieses Modell der wirtschaftlichen “Zusammenarbeit” war bis vor zwei Jahrzehnten das einzig praktizierte. Länder des Südens wurden vor allem auf die Produktion von mehr oder weniger günstigen Rohstoffen reduziert. Egal ob Baumwolle, Kakao, Kaffee, Kautschuk, Reis, Erdöl, Metalle u.s.w., deren Verarbeitung, Veredelung und Innovation fand die letzten Jahrhunderte, dem industrielle Zeitalter, immer im “Westen” (=Norden) statt. Daher konnten die Länder mit entwickelten industriellen Strukturen (vuglo Industrienationen) am Wohlstand partizipieren, im Gegensatz zu den Entwicklungsländern, wo es lediglich jene Elite zu Reichtum brachten, die direkt im Export-Geschäft waren. Genauso war (ist) es auch in Indien.

Erst seit der wirtschaftlichen Öffnung (= Aufstieg!?) Chinas und anderer asiatischer Staaten wanderte ein Teil der Wertschöpfung nach Osten (und Süden). Dabei wurde erstmals die Arbeits-intensive Fertigung aus Kostengründen nach Asien verlagert. Arbeit und Umweltverschmutzung wurden in die Billiglohnländer outgesourced, während die unternehmerischen Gewinne weitgehend bei der westlichen Konzernen blieben.

Der bessere Handel: Fair-Trade & Ethnic Products 

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich, neben dem klassischen Welthandel, eine kleine Marktnische entwickelt: Fair Trade. Für immer mehr bewusste Konsumenten im Westen sind Handel auf Augenhöhe, faire Preise, nachhaltige Produktion, biologischer Anbau und akzeptable Arbeitsbedingungen ein Anliegen. Fair Trade Produkte sind in Mitteleuropa heute im klassischen Handel (also Mainstream) angekommen.

fairtradeZusätzlich interessiert sich eine alternative urbane Zielgruppe für authentische Produkte aus fernen Kulturen, nennen wir sie allgemein Ethnic Products. Zum Beispiel Schmuck aus Indonesien, Masken und Buddha-Figuren aus Thailand, Stoffe aus Guatemala, Kleidungsstücke aus Fernost, Musikinstrumente aus Lateinamerika, Räucherstäbchen oder Kolonialmöbel aus Indien, Deko-Material aus aller Herren Länder… die Liste könnte man ewig fortsetzen. Gehen Sie einfach ein einen Weltladen – die Auswahl ist kaum mehr zu überblicken. All diese Produkte werden in den Ländern des Südens, oft in Kooperation mit NGOs/sozialen Organisationen, produziert und in Europa vermarktet. Diese Form von Export schafft Beschäftigung und Einkommen für die einfache Bevölkerung (fast immer Frauen) in Ländern des Südens und leistet einen Beitrag zu deren sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung.

Im Vergleich zum konventionellen Handel sind Fair Trade und Ethnic Products nur ein minimaler Anteil, bringen aber einen wesentlich höheren Mehrwert für die lokale Bevölkerung. Es werden eben nicht generische Rohstoffe (oder billige Massenprodukte) exportiert, sondern handgemachte Stücke, die persönlicher Arbeit und Kreativität bedürfen. All jene die in derartigen Projekten arbeiten, können mit ihrer Arbeit wohl ihre Familien ernähren, kommen aber wahrscheinlich trotzdem nie aus dem Eck der Entwicklungshilfe herraus.

Meist werden nur jene Produkte importiert, die traditionell in den entsprechenden Ländern seit Jahrhunderten gefertigt werden – ohne spezielle Anpassung an westliche Kundenbedürfnisse. Ist ja auch gar nicht notwendig, Ethnic Products sollen auch authentisch bleiben, genauso wie man sie aus Delhi oder Bangkok kennt.

Reverse Innovation

In diesem Blog beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema “Reverse Innovation”. In aller Kürze geht es darum, dass Produkte und Dienstleistungen aus zum Beispiel Indien, auch einen Absatzmarkt im Westen finden. Vor allem weil Technologien und Produkte aus “emerging markets” einen gewissen Reifegrad erreichen, gleichzeitig aber auch einen enormen Preisvorteil bieten – bei relativ hoher Qualität.

Zu den bekanntesten Beispielen zählen Medizintechnische Geräte von GE oder Philips, die in und für Indien entwickelt wurden, nun aber auch in Europa und den USA eingesetzt werden. Ich will mich an dieser Stelle nicht weiter vertiefen, denn auf https://www.indische-wirtschaft.de/index.php/tag/reverse-innovation/ habe ich bereits zahlreiche Fallbeispiele zusammen getragen.

Reverse Innovation stellt erstmals seit der Industriellen Revolution die Globalisierung auf den Kopf. Denn die letzten 300 Jahre ist Innovation immer vom Westen ausgegangen, passiert nun aber auch in den Entwicklungsländern. Da die gesamte Wertschöpfung im (Entwicklungs)Land bleibt, ist Reverse Innovation der beste Ansatz für eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung von Indien & Co. Möglich wird das nur durch Investition in Forschung und Entwicklung und Ausbildung von Fachkräften der ehemaligen Entwicklungsländer.

Soft Power: Export von Lifestyle und Kultur

Soft Power beschreibt im Gegensatz zur wirtschaftlichen (und militärischen) Macht die politische Machtausübung auf Grundlage kultureller Attraktivität
. Dazu zählen die Kultur eine Landes, die Werte einer Gesellschaft, die Religion, Sprache, Musik oder das kulinarische Angebot u.s.w. Indiens Soft Power manifestiert sich beispielsweise durch Ayurveda, Yoga, Bollywood Firme, klassische oder zeitgenössische indische Musik,  Astrologie, Meditation oder die indische Küche. All das sind quasi immaterielle Exportschlager der indischen Kultur. Von Export im klassischen Sinne kann man natürlich nicht reden, weil unmittelbar kein Geld fließt und nirgendwo eine Wertschöpfung passiert. Trotzdem nützt die steigende Popularität fremder Kulturen indirekt natürlich dem (fairen) Handel und einem kulturellen und wirtschaftlichen Austausch.

Südnovation: Globalisierung auf Augenhöhe

Indien wird, vor allem dank seiner Soft Power, heute mit vielen positiven Dingen assoziert, genauso wie Afrika oder Lateinamerika. Unser Kulturangebot aber auch der Handel bietet uns heute eine ganze Menge aus aller Welt. Die Popularität exotischer Länder (statt dem Elend der Entwicklungsländer) eröffnet natürlich auch Potentiale für eine neue Art des gemeinsamen Wirtschaftens. Neben der bereits existierenden Nachfrage nach fairen und exotischen Produkten (siehe oben) gehen mutige Entrepreneure den nächsten konsequenten Schritt und versuchen das Beste aus Nord und Süd, West und Ost zu kombinieren und ganz neuartige Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.

Wer meinen Blog regelmäßig liest, der weiß dass wir (Europäer) eine Menge von den Indern lernen können. In der Kombination aus europäischer Ingenieurskunst und indischem Unternehmergeist, unserer Kaufkraft und indischem Kunsthandwerk, europäischem Qualitätsbewusstsein und indischer Improvisationskunst liegen ungeahnte Potentiale für einzigartige Produkte.

Aber auch abseits von Multinationalen Konzernen, die sich mit dem Thema Zusammenarbeit auf Augenhöhe eher schwer tun, sehe ich immer wieder wunderbare südnovative Kooperationsprojekte von Kreativen, Künstler und Entwicklungsorganisationen:

dancingshivaEin besonders sympathisches Projekte ist Dancing Shiva aus Wien. Eine österreichische Fashion-Designerin beschäftigt in Goa ein gutes Dutzend Näherinnen, die einzigartige Klamotten fertigen, die sie in ihrem eigenen Shop in Wien verkauft. Moderne Designs für westliche KundInnen, traditionelle indische Farben, genäht aus Khadi, Indiens handgesponnene und handgewebte Stoffe. (Anmerkung: In den 1920er Jahren begann Mahatma Gandhi das Spinnen von Khadi zu propagieren. Zum einen sollte es der landwirtschaftlichen Bevölkerung die Möglichkeit zur Selbstversorgung bieten, zum anderen sollte Khadi-Stoff die ausländischen Stoffprodukte verdrängen.)

Südnovation ist eben nicht nur aus sozialen Gründen sinnvoll, sondern schafft einzigartige Produkte, die es bisher noch nicht gab. Vor allem im Bereich Kunst und Handwerk sind relativ einfach die Potentiale zu heben. Da haben Länder wie Indien gewaltig viel zu bieten, was bei uns schon verloren gegangen ist.

Südnovation – Ideen Werkstatt – Kann der Süden den Norden retten?

suednovationWillst du auch die Potentiale von Nord und Süd nützen, an südnovativen Ideen und Konzepten arbeiten, selbst unternehmerisch tätig werden? Dann komm am 7. und 8.Mai nach Graz zur Südnovation – Ideen Werkstatt.

Das Format für Projekt-, Produkt,- und Sozialdesign-Entwicklung richtet sich an Personen aus den Bereichen der  Creative Industries, Kunst, Entwicklungszusammenarbeit und der Wirtschaft. Südnovation bietet 1½ Tage dynamischen, kreativen und zielorientierten Prozess. Menschen mit verschiedenen Perspektiven treffen in fokussierten Räumen aufeinander und bringen ihr Potential in eine Richtung zusammen.

Mehr Informationen findest du auf der Website von Kulturen in Bewegung bzw im Folder_Suednovation!

 

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Beitrag veröffentlicht

von

Wolfgang Bergthaler

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