„Wir brauchen keinen indischen Partner, denn wir sind von Beginn an ein deutsch-indisches Start-up.“, Christian Klemenz, Founder & CEO St. ERHARD GmbH
Der fränkische Entrepreneur Christian Klemenz ist ausgezogen um als Erster und Einziger eine deutsche Biermarke überhaupt in Indien erfolgreich zu vermarkten. Im Gespräch mit „Indische Wirtschaft“ lässt er uns hinter die Kulissen von St. ERHARD blicken, spricht über seine Geschäftsidee, die Finessen des indischen Marktes, sein Produkt und wie er es erfolgreich in Indien vermarktet.
Wolfgang Bergthaler: Wie kam es zur Geschäftsidee von St. ERHARD?
Christian Klemenz: Ich hatte eigentlich schon immer eine unternehmerische Ader, wollte gründen, habe deswegen auch während meines Studiums ein Praktikum im Silicon Valley gemacht. Aber die Idee zu St. ERHARD geht auf mein Austausch-Semester 2010 am IIM Ahmedabad (Anmerkung: indischen Elite-Uni und Entrepreneurship-Kaderschmiede) zurück. Mir ist aufgefallen, dass ich als Deutscher in Indien sehr oft auf deutsches Bier angesprochen wurde, dass es solches dort aber weder zu kaufen gibt, noch irgendjemand eine deutsche Biermarke nennen kann. Im Rahmen eines Entrepreneurship-Kurses auf der Uni sollten wir ein Geschäftskonzept erarbeiten. Für mich war die Business-Idee klar: Die Vermarktung einer deutschen Biermarke in Indien. Das Projekt verschwand nach dem Semester aber nicht in der Schublade. Zurück in Deutschland habe ich gemeinsam mit meinem damaligen indischen Kommilitonen und heutigen Geschäftspartner Vikanshu (Bhargava) die Idee weiter vorangetrieben. Nach all den Feldstudien und Verkostungen waren wir vom Potential überzeugt, gründeten im Juni 2011 die Firma und haben unser Geschäft aufgenommen.
Das ist wohl eine Ironie der Geschichte, dass die Gründung unseres „Alcohol-Business“ im „Dry State“ Gujarat seinen Ausgang nahm (Anmerkung: Alkohol ist in Gujarat streng verboten).
WB: Sie haben das Bier zusammen mit einer etablierten Brauerei bei Bamberg entwickelt und vermarkten es unter Ihrer eigenen Brand „St. ERHARD“ in Indien. Warum versuchen sich nicht auch etablierte deutsche Brauereien in Indien?
CK: Die großen Brau-Konzerne tun sich in Indien echt schwer. Diese sind auf große Partner und Importeure angewiesen, die teilweise ihre eigene Agenda verfolgen. Da kann es sehr schnell zu Problemen und Interessenskonflikten zwischen den deutschen Produzenten und den indischen Händlern kommen und wieder alles in die Brüche gehen.
Das ist bei uns ganz anders. Wir brauchen keinen indischen Partner, denn wir sind von Beginn an ein deutsch-indisches Start-up. Vikanshu war für mich ein absoluter Glücksfall. Wir vertrauen uns gegenseitig und bauen das Geschäft gemeinsam auf.
Der Weg stand für uns von Beginn an fest: Wir wollten kein reines Handelsunternehmen aufbauen und eine etablierte Marke in Indien vertreiben. Das funktioniert meiner Meinung nach in Indien auch sehr schwer. Branding und Marketing ist so essentiell – das würden wir nie aus der Hand geben und einem Importeur überlassen. In Indien herrscht oft die Mentalität des kurzfristigen Profits: Eben lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Da investiert (zumindest in dieser Branche) kaum einer in den langfristigen Markenaufbau, sondern schöpft eher mal eine höhere Marge ab.
WB: Wie groß ist das Marktpotential für St. ERHARD in Indien?
CK: Indien ist nicht nur ein großer, und schnell wachsender Markt, sondern vor allem ein sehr junger (=unerfahrener) Markt. Dieser beginnt sich erst durch die sich wandelnde Gesellschaft zu entwickeln. Eine einzige Zahl verdeutlicht das sehr gut. Der Anteil importierter Alkoholika macht lediglich 0,2 Prozent des Gesamtmarktes aus. Dafür sind unter anderem hohe Import-Zölle und jede Menge Handelshemmnisse verantwortlich. Wir wollen uns aber jetzt schon in Indien positionieren, um dann eine gute Ausgangsposition zu haben, wenn sich der Markt öffnet und der Absatz richtig anzieht.
WB: Als typischen Kunden stelle ich mir einen 28-jährigen Software Entwickler in Bangalore vor, der am Samstag im Pub zwei Flaschen St. ERHARD konsumiert. Liege ich da richtig?
CK: Ja, unsere Zielgruppe ist auf jeden Fall weiter gefasst als die Porsche-fahrende Oberschicht Neu-Delhis. Zu unseren Kunden gehören vor allem junge urbane berufstätige Männer der neuen Mittelklasse, typischerweise im Alter von 25 bis 35. Sie gehen hin und wieder mal aus und nehmen am sozialen Leben teil. Wenn sie St. ERHARD trinken, möchten sie sich mal was Gutes gönnen und Spaß haben.
In Sachen Alkoholkonsum müssen wir den Markt auch noch etwas „erziehen“. Wie Sie wissen hat Indien eine extrem stark ausgeprägte Whiskey-Tradition, mit dem Ziel sich damit richtig zu betrinken. Wir wollen die Inder vom Whiskey wegbringen und eine vernünftige Trinkkultur vermitteln. Bier ist im Gegensatz zu den harten hochprozentigen Getränken eher ein „Social Drink“ – ein Genussmittel, das man in einem sozialen Umfeld konsumiert, ohne sich völlig zu berauschen. Das wollen wir auch kommunizieren und fördern.
WB: Was schätzt der indische Biertrinker an St. ERHARD? Wie muss ein Bier in Indien schmecken?
CK: Unser Bier ist ein Kellerbier, typisch für Franken, wo wir herkommen und produzieren. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht zu herb ist, wie zum Beispiel ein norddeutsches Pils. Kellerbier ist deutlich malziger und hat weniger Kohlensäure. Das kommt sehr gut an.
WB: Wie würden Sie die Positionierung von St. ERHARD in drei Schlagworten beschreiben?
CK: Das wichtigste Attribut für uns in Indien ist auf jeden Fall DEUTSCH. Wir wollen ein deutsches Bier vermarkten. Weitere Eigenschaften, die uns auszeichnen, sind PREMIUM und AUTHENTIZITÄT. Wir wollen kein anonymer Brau-Konzern sein, sondern Charakter und Persönlichkeit zeigen, auch als Unternehmer.
WB: In Ihrer Werbung bemerke ich Begriffe wie Natur, Qualität und Reinheit. Ist das wirklich schon so wichtig für Ihre Kunden in Indien?
CK: Leider ist das Wissen über Bier in Indien noch nicht sehr ausgeprägt. Uns ist schon wichtig unsere Kunden aufzuklären, dass Bier auch ein absolutes Naturprodukt sein kann: natürlich hergestellt, frei von Zusatzstoffen, ganz nach dem Reinheitsgebot. Mit natürlichen Zutaten ein gutes Bier zu brauen macht ja unsere deutsche „Braukunst“ aus. Wenn ich daran denke, dass indisches Bier typischerweise mit Glycerin versetzt ist, stellt es mir die Haare auf. Reinheit ist im „Land der Vegetarier“ durchaus ein kultureller und religiöser Wert, der auch gut zu kommunizieren ist.
WB: Wo gibt es St. ERHARD aktuell in Indien?
CK: Bis jetzt sind wir nur in Nordindien aktiv: im Raum Delhi, wo mein Geschäftspartner sitzt, sowie in Chandigarh. Demnächst starten wir auch in Maharashtra: also Mumbai und Pune. Da jeder Bundesstaat eine andere Gesetzgebung hat, ist der Markteintritt natürlich nicht so einfach
. Außerdem ist regionale Präsenz unerlässlich. Wir sind aber auf einem guten Weg.
WB: Welche Vertriebswege entwickeln Sie in Indien?
CK: Um Marketing und Vertrieb kümmern wir uns selbst. Das bedeutet auf die Straße gehen und Klinken putzen, inklusive Bier-Verkostungen in Pubs, Hotels, Bars etc um die Entscheidungsträger zu überzeugen. Da ist es wichtig, dass ich als Deutscher mit dabei bin und für Glaubwürdigkeit und Authentizität sorge. (lacht) Für die Logistik haben wir natürlich professionelle Partner.
WB: Wie sieht Ihre Marketing-Strategie aus?
CK: Werbung für Alkoholika ist in Indien sehr problematisch, teilweise verboten. Daher können wir auch nicht auf konventionelle Werbung zurückgreifen. Für uns ist Social Media der große Treiber und das funktioniert wirklich gut. Erst heute haben wir 20.000 Facebook-Fans erreicht. Wir wachsen mit etwa 1000 Fans pro Woche. Dass unsere Zielgruppe jung und sehr Internet-affin ist kommt uns da zu Gute.
WB: Was taugt Ihnen an Indien – abseits vom Geschäftspotential?
CK: Ich habe schon irgendwie eine ambivalente Beziehung zu Indien. Es ist nicht einfach in Indien zu leben, aber die Arbeit in Indien ist extrem bereichernd und eine gute Lebensschule. Wenn man in Indien Business machen kann, dann kann man es überall auf der Welt. Und wir haben mit St. ERHARD noch viel vor in Asien. Mit China wartet der nächste Markt, wo wir schon erste Duftmarken gesetzt haben.
WB: Was können die Deutschen von den Indern (unternehmerisch) lernen?
CK: Wie Sie wissen, ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Indern nicht immer einfach. In Sachen Flexibilität können wir aber eine Menge lernen. Nichts ist in Indien gänzlich unmöglich. Alles wird freier interpretiert, nichts ist in Stein gemeißelt. Im Endeffekt gibt es in Indien immer viele Wege zum Ziel, auch wenn sie nicht immer leicht zu finden sind.
WB: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit St. ERHARD in Indien.
(aufgezeichnet von Wolfgang Bergthaler)
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