Die Krise als Chance nutzen: durch lokale Wertschöpfung und gutes Personal

Mike D. Batra ist Mitbegründer und Geschäftsführer der Indien-Beratung Dr. Wamser + Batra GmbH. Aufgewachsen in Deutschland und Indien, studierte er Internationales Management und Entwicklungsökonomik mit Fokus Südasien in Maastricht, Madrid und London. Heute unterstützt er als Berater vorwiegend europäische Unternehmen beim Auf- und Ausbau ihres Indien-Geschäfts und der nachhaltigen Führung und Entwicklung von Präsenzen vor Ort.

Indische Wirtschaft (IW): Die Negativ-Berichterstattung über Indien scheint den Höhepunkt erreicht zu haben. Viele Kommentatoren sprechen schon vom Ende der BRIC Staaten, vor allem für Indien sind viele skeptisch. Wie schätzen Sie die wirtschaftlich die aktuelle Lage realistisch ein? 

Mike D. Batra
Mike D. Batra

Mike Batra (MB): Genauso wie vor einigen Jahren maßlos positiv übertrieben wurde, ist dies nun in negativer Hinsicht der Fall. Sicher es gibt viele Herausforderungen, diese sind jedoch größtenteils nicht neu. An den langfristigen Aussichten, und für die sind die meisten ausländischen Firmen im Markt, hat sich nichts geändert. Viele unserer Kunden gehen derzeit den Schritt in Richtung lokale Montage bzw. Produktion, mit klarem Fokus nicht wie bisher auf das kleine aber feine Premium-Segment, sondern auf den breiteren Markt des oberen mittleren Segments. Einige Aspekte der derzeitigen ‘Krise’ bieten auch Chancen, wie der Wertverlust der Währung, diese ermöglicht einen günstigeren Einstieg zum Beispiel beim Landkauf.

IW: Welche Rolle spielt das Thema Innovation für Indien? Wo, wann, warum ist lokale Produktentwicklung besonders wichtig?

MB: Vor allem dann, wenn man sich im hochwertigen Segment bereits einen Namen gemacht hat, und nun den breiteren Markt angehen möchte und auch kann. Nur auf diese Weise ist es möglich, wirklich am großen Potenzial des indischen Marktes zu partizipieren. Oftmals sind dies dann günstigere und mit weniger Funktionalität versehene Produkte, jedoch mit der gleichen deutschen (bzw. österreichischen) Qualität. In vielen Bereichen bieten sich darüber hinaus Möglichkeiten für ein globales Einstiegsprodukt, mit Export z. B. innerhalb Asiens im Rahmen von bestehenden Freihandelsabkommen.

IW: Glauben Sie, dass Indien zu einem globalen Innovations-Hub wird, früher oder später auch nach Europa exportiert (Stichwort „Reverse Innovation“)?

MB: Das glaube ich eher nicht, denn das Qualitätsbewusstsein ist ein ganz anderes. Aber Indien wird mehr als bisher mit innovativen Produkten für andere Schwellenländer entwickeln und liefern können. Lateinamerika, aber auch insbesondere Afrika werden zunehmend von indischen Unternehmen ins Visier genommen.

IW: Was sind aus Ihrer Perspektive die drei wichtigsten Komponenten, um in Indien geschäftlich erfolgreich zu sein?

MB: Ich sehe folgende:

  1. Realistische Einschätzung des Marktpotenzials
  2. Passendes Personal finden und halten
  3. Konsequente Führung und Kontrolle aus dem Stammhaus

IW: Als einer der wenigen Indien-Berater haben Sie auch den so genannten „informal sector“ im Auge. Warum beschäftigen Sie sich damit beziehungsweise sind diese Märkte für deutsche Unternehmen wirklich von Interesse? 

MB: Als Absatzmärkte zunächst sicherlich nicht. Aber wir führen im Rahmen von Marktbewertungen in der Regel auch Markterkundungsreisen vor Ort durch, bei denen der gesamte Markt betrachtet wird, um so ein realistisches Bild von allen Segmenten zu erhalten. Sehr oft hat gerade der informelle Sektor hierbei für europäische Firmen interessante Erkenntnisse hinsichtlich Produkt-Adaptionen oder innovativen Vertriebswegen geboten.

Mike D 
. Batra
Mike D. Batra

IW: Ein Irrglaube ist, dass Mitarbeiter in Indien zahlreich und günstig sind. In Wahrheit herrscht Fachkräftemangel. Entsprechend teuer und rar sind Leistungsträger und Manager. Dr. Wamser + Batra macht auch relativ viel Personalsuche in Indien. Wie finden Sie Mitarbeiter?

MB: Durch einen aufwendigen Prozess, den wir über Jahre weiterentwickelt und verbessert haben. Nur so können die wenigen geeigneten Bewerber gefunden werden, die die Philosophie eines deutschen oder österreichischen Mittelständlers verstehen und mit einem Horizont von 10 Jahren umsetzen können und dies auch wollen. Hinzu kommt dass es in Indien normal ist, sich für Jobs ‘einfach mal zu bewerben’, auch wenn man nicht ausreichend qualifiziert ist oder man auch ‘nur mal den Marktwert testen’ will, um so beim bisherigen Arbeitgeber mehr fordern zu können. Die Gehälter variieren stark nach Region oder Anzahl der vorherigen Arbeitgeber. Kandidaten mit vielen Wechseln (in Indien gelten 2 Jahre Arbeitsverhältnis oft schon als lang) disqualifizieren sich dabei meist frühzeitig.

IW: „Getting things done“ ist immer eine Herausforderung in Indien. Was ist Ihr Management-Mantra?

MB: Diese Herausforderung besteht ohne Zweifel bei Mitarbeitern (gerade aus der Distanz) und noch mehr bei externen Dienstleistern in Indien. In der Praxis erfordert dies klar verständliche Vorgaben sowie konstantes und konsequentes Nachfassen bis hin zu gezielten Sanktionen, leider geht dies auch immer mit erhöhtem Betreuungs- und insbesondere Kommunikationsaufwand einher.

IW: Führen Sie Ihr Team in Indien indisch (hierarchisch, personenbezogen, pragmatisch, spezialisiert) oder deutsch (Team-orientiert, sachbezogen, perfektionistisch, fachübergreifend)?

MB: Es ist eher eine gesunde Mischung aus diesen beiden Führungsstilen, und wie überall kann auch oder gerade in Indien ein wenig ‘Zuckerbrot und Peitsche’ durchaus effektiv sein.

IW: Was können/müssen die Österreicher/Deutsche von den Indern unternehmerisch lernen?

MB: Unternehmerisches Risiko leichter einzugehen, gelassener mit Krisen umzugehen um diese mit mehr Improvisationskunst und gesteigerter Bereitschaft zur Veränderung zu überwinden.

Vielen Dank für das Interview
(aufgezeichnet von Wolfgang Bergthaler)

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Wolfgang Bergthaler