Mein Indien: 20 Jahre Wachstum(smarkt)

Oft werde ich gefragt, warum ich mich beruflich mit Indien beschäftige und wie ich eigentlich „dorthin gekommen sei“. Meine kecke Antwort lautet dann manchmal: „mit dem Flugzeug, über Dubai“.

Am 26.8.2004 war mir allerdings noch nicht klar, wie sehr sich mein Leben verändern sollte, als ich mit dem Flug EK526 am frühen Morgen in Hyderabad landete. Das war nämlich nicht nur der Auftakt meines Auslandspraktikums in der südindischen Software-Metropole, sondern der Beginn einer intensiven Beziehung, die nunmehr schon zwanzig Jahre währt. Seit diesem Tag beschäftige ich mich nunmehr im weitesten Sinne mit Indien und seiner Wirtschaft – und das in vielen verschiedenen Rollen. Aber alles der Reihe nach!

Praktikum in indischem Software-Outsourcing Unternehmen

Im Rahmen meines Studiums (Informationsmanagement) wollte ich ja eigentlich “nur” ein Praktikum im „englisch-sprachigen Ausland“ machen. Mit dieser Idee wandte ich mich damals an die Studentenorganisation AIESEC, die weltweit Praktika vermittelt. An „Indien“ dachte ich damals im Traum nicht. Aber da ich aus der IT kam und Indien damals viele offene Stellen angeboten hat, wurden mir ebendort Praktika angeboten. Bei der ersten Vorstellung dieser – damals für mich absolut absurden – Idee, lehnte ich dankend ab. Ich wollte nicht in die „dritte Welt“, sondern in die USA, vielleicht nach Kanada und im schlimmsten Fall vielleicht nach Großbritannien.

Sechs Monate später fand ich mich allerdings im o.g. Flug von München über Dubai nach Hyderabad. Durch ein paar Gespräche im Vorfeld konnte ich mich immer mehr mit dieser damals verrückten Idee anfreunden. Ich gab mir also einen Ruck und nutzte die Chance das exotistische Praktikum unseres Jahrgangs zu absolvieren. Die weiteste Reise, die ich bis dahin angetreten hatte, war die Maturareise nach Kreta. Diesmal sollte es etwas fremder werden – aber umso interessanter. Ich wollte es „riskieren“. Und ich „gewann“ – auf allen Ebenen!

Meine Kolleginnen in Indien
Meine ersten Kolleg:innen in Indien

Mir ist es gelungen sechs Monate lang allen Erfahrungen und Impulsen in diesem Land sehr offen zu begegnen, sodass ich mein 15-wöchiges Praktikum in einem typisch indischen Outsourcing Unternehmen und meine Rundreise(n) in vollen Zügen (auch im wahrsten Sinne des Wortes) genießen konnte. Es war die bis dahin mit Abstand intensivste und lehrreichste Zeiten meines Lebens, und das, obwohl Firma, Arbeitsplatz und Unterkunft echt nicht viel zu bieten hatten. Ich war süchtig nach Indien und all den intensiven Eindrücken, neuen Freundschaften und Herausforderungen in der Fremde.

Umweg über China und verklärtes Indien

Nach meiner Rückkehr setzte mich der (Reverse)Cultural Schock fast außer Gefecht. Mir fehlte der Stimulus der indischen Metropolen, die (Ge)Würze im Leben. Mit ein paar Anlaufschwierigkeiten ist es mir dann doch gelungen, auch noch das letzte Studiensemester im Sommer 2005 sehr gut hinter mich zu bringen. Da mich aber ein Berufseinstieg in Österreich so gar nicht inspirierte, arbeitete ich bereits an meinem Exit-Plan – einem Praktikum in China.

Meine Logik im damaligen Hype um die BRICS-Staaten und die Globalisierung der Weltwirtschaft: Wer in Indien war, sollte auch die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Emerging Markets sehen und dort Arbeitserfahrung sammeln. Also ab nach China!

So war ich zwei Monate nach meiner Graduierung (Thema: Unternehmensgründungen und Business Pläne) später auf dem Weg nach Shanghai. Trotz der beeindruckenden wirtschaftlichen Entwicklung, eines hervorragenden Arbeitsplatzes und eines komfortablen Apartments, konnte ich mit China – im Gegensatz zu Indien – persönlich recht wenig anfangen. Damit begann meine Zeit der Indien-Verklärung, dem Land, wo ja alles lauter, bunter, extremer, besser, wilder, spannender schien. Ich wollte wieder „zurück“ in „mein“ Indien.

Der Berufseinstieg in einen österreichischen Konzern mit Indien-Niederlassung gelang mir danach allerdings nicht, sodass ich in einem mittelständischen Metallverarbeitungsbetrieb und einer österreichischen Großbank erste Arbeitserfahrung in Europa sammeln durfte/musste. In meiner Freizeit beschäftige ich mich allerdings intensiv mit Indien – verschlang alles, was es an Literatur damals zu kaufen gab und (ver)suchte indische Kontakte in Wien (aufzubauen). Ich vernetzte mich mit allen Menschen, die damals irgendwas mit Indien zu tun hatten und reiste wieder nach Indien, um dort alte wie neue Menschen zu treffen.

Selbstständiger „Indienberater“ und Freelancer in der Startup Szene

Unmittelbar vor dem Ausbruch der Finanzkrise hängte ich meinen Job bei der Bank an den Nagel und machte mich selbstständig. Ohne großes Konzept, aber mit viel Leidenschaft organisierte ich kleinere Marktsondierungsreisen nach Indien, verkaufte mit mäßigem Erfolg Marktrecherchen zum Wachstumsmarkt, veranstaltete Events zum Thema Indien und startete mit dem Journalisten Stefan Mey diesen Blog zum Thema „Indische Wirtschaft“. Ich lebte in diesen wirtschaftlichen schwierigen Zeiten allerdings mehr von meinem eigenen Enthusiasmus als von den bescheidenen Honoraren.

Weil das Geld (oft) nicht reichte, brachte ich mich auch bei der damals in den Babysöckchen steckenden Wiener Start-Up Szene ein. Ich verbrachte die Wintermonate in Indien und arbeite den Rest des Jahres in Wien mit jenen Visionären, die dann als die erste Generation der heimischen Gründerszene bekannt wurden. Ein Leben als digitaler Nomade beziehungsweise Lifestyle Designer – auch nicht schlecht.

Digitale Nomanden im indischen Co-Working Space

Startup Boom & persönlicher Bust (in Indien)

Im Zuge einer meiner Marktsondierungsreisen nach Indien lernte ich die Gründerin von YourStory Pvt. Ltd. kennen. Dieses Medienunternehmen produzierte inspirierende Stories aus der indischen Tech- und Gründerszene und hostete die ersten großen Events in Indien, die Startups, Investoren und Corporates zusammenbrachten. Bei Kaffee & Kuchen bot sie mir an, nach Banglore zu ziehen und das Unternehmen mit ihr aufzubauen. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Es schien so, dass ich meinen Enthusiasmus für Indien UND Startups kombinieren und voll ausleben konnte – quasi Traumjob.

Satirische Abhandlung unserer Indienabenteuer

Es sollte keine zwei Monate dauern, da brach ich meine Zelte in Österreich ab, und fand mich auf in einer typischen indischen „Garagenfirma“ wieder. Ich bekam dort aber die Möglichkeit täglich indische Gründer und deren digitale Geschäftsmodelle kennen zu lernen. Ich kann mich noch gut erinnern, als wir damals auf das erste indische Unicorn, Flipkart, angestoßen haben. Mittlerweile gibt es weit über 100 Internet-Unternehmen in Indien, mit einer Bewertung von über einer Milliarde Dollar. Wir organisierten Events mit mehreren hundert Teilnehmer:innen in ganz Indien und launchten eine Internetportal für die Gründerszene.

Leider scheiterte meine kurze, aber intensive Zusammenarbeit mit YourStory an unrealistischen (unausgesprochenen) Erwartungen, schlampigen bzw. nicht vorhandenen Vereinbarungen, sowie an den kulturellen und persönlichen Differenzen in der Zusammenarbeit. So war ich nach weniger als einem Jahr wieder raus und in Indien auf eigene Faust (bzw. mit Stefan Mey) unterwegs. Er begleitete mich einen Teil des Weges und dokumentierte das ganze Unterfangen aus seiner Perspektive in satirischer Art und Weise.

YourStory schaffte auch ohne uns den Turnaround, professionalisierte und strukturierte sich. Man konnte namhafte Investoren an Land ziehen (u.a. Ratan Tata) und wurde zu einem nationalen Player im drittgrößten Startup Ökosystem der Welt. Ich bewundere und respektiere Shradha für diese außergewöhnliche Leistung und den Einsatz für die Sache.

Neustart in Österreich: Vermittlung von indischen IT-Ressourcen

Ich organisierte 2012 noch zwei Investoren-Delegationen nach Indien und verabschiedete mich dann wieder nach Österreich – gemeinsam meiner jetzigen Ehefrau und damaligen Verlobten, die ich in Indien kennen- und lieben lernen durfte.

Collage aus den India Camps (2011, 2012)

Allerdings verlief unser gemeinsamer Start in Österreich sehr holprig. Die indische Wirtschaft befand sich in der Krise und rückte aus dem Fokus der europäischen Exporteure und Investoren. Niemand wollte mehr auf meine Expertise zum indischen Markt zurückgreifen. So startete ich mit zwei lieben Kolleginnen (mit Barbara Rietzsch arbeite ich heute noch zusammen) eine kleine Personalagentur, die indische Softwareentwickler nach Österreich vermittelte. Wir waren der Zeit aber weit voraus. Nur wenige Unternehmen waren an dieser Dienstleistung interessiert, die heute stark nachgefragt wird: Die Vermittlung von internationalen Fachkräften, als Lösung gegen den strukturellen Personalmangel in Europa.

2014 bekam ich bei einem mittelständischen Unternehmen in Graz, die Möglichkeit diese Idee auch noch in anderer Form umzusetzen. Wie installierten Konzern-intern in der indischen Niederlassung eine kleine indische IT-Einheit, die ich aufbauen und zwei Jahre betreuen durfte.

Buchcover Indien

Beratung und interkultureller Austausch

Innerhalb von (großen) Unternehmensstrukturen fühle ich mich in meiner Wirkung eingeschränkt. Daher dockte ich 2016 beim Berater-Netzwerk von Dr. Wamser + Batra an, welches Unternehmen bei ihren Herausforderungen in Indien betreut. Dort kümmerte ich mich jahrelang um die (digitale) Kommunikation und die Ansprache, sowie Betreuung der österreichischen Kunden. On the job erlernte ich wie Vertrieb funktioniert – eigentlich ein Thema, das ich lange vermieden, aber mittlerweile für mich entdeckt habe.

Dazu schrieb ich mit meinen Kollegen auch noch ein Managementhandbuch für Indien.

Seva India Festival Video von 2019

Parallel zur Indienberatung organisierte ich zwei große Indienfestivals in Wien (mit weit über 500 Teilnehmer:innen), beziehungsweise die erste Online-Konferenz zum Thema indische Wirtschaft.

Mit Klarheit in neue berufliche Projekte

Am „Höhepunkt“ meiner Business Development Aktivitäten erwischte mich Corona am falschen Fuß. Von heute auf morgen waren so gut wie alle Indien-Projekte „on hold“, beziehungsweise storniert. Ich stand (wieder) ohne Einkommen da.

Ich nutzte die verordneten Freiheitseinschränkungen und (überfällige) Mid-Life-Crisis für ein Time-Out. Ich erlaubte mir, mich, meine Bedürfnisse und meine Talente noch besser kennen zu lernen. Diese Monate der persönlichen und beruflichen Transformation brachten viel Klarheit für die zweite Lebenshälfte.

Ich erkannte, dass ich meine Erfahrungen aus der Arbeit in und mit Indien nicht nur für Indienprojekte nutzen konnte, sondern dass diese Qualitäten auch für viele andere Projekte brauchbar sind.

Auf meiner Visitenkarte steht heute:

Portrait aus 2022

Wolfgang Bergthaler
Selbstständiger Business Developer
Frugale Business Konzepte mit Impact
Marketing, Vertrieb & PR

Durch meine (unternehmerische) Erfahrung in den Bereichen Unternehmensberatung, Vertrieb, IT und Personal und meiner Fähigkeit

  • Produkte und Konzepte auf das Wesentliche zu reduzieren und den Kundennutzen zu kommunizieren,
  • Informationen auf informellen Wegen zu beschaffen und konkrete Leads (Kunden, Investoren, etc) zu generieren,
  • Strukturen aufzubauen und die richtigen Partner onzuboarden,

unterstütze und „investiere“ ich (in) Organisationen und Ideen, die ich für unsere Welt für richtig und wichtig halte – egal on die was mit Indien zu tun haben, oder nicht.

Ich freu mich auf eine Zusammenarbeit und Ihre Kontaktaufnahme für ein erstes Sparring.

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Wolfgang Bergthaler