Man könnte meinen, die (jungen) Arbeitnehmer:innen (GenZ) „bestreiken“ die Unternehmen. Sie wollen nur mehr (maximal) vier Tage der Woche arbeiten und stellen jede Menge Forderungen an ihre (potentiellen) Arbeitgeber.
Auf der anderen Seite beklagt die Wirtschaft den Verfall der Werte und dass heute niemand mehr arbeiten, geschweige denn sich anstrengen, will. Sie mögen sich einbringen in Gesellschaft und Wirtschaft. Sonst gehe sich das „alles“ nicht mehr aus… Von nix, kummt nix.
- Wer hat hier (un)recht?
- Wie kommen wir aus diesem Dilemma wieder raus?
- Wo sind denn die Leute alle hin?
- Wie wollen wir in Zukunft arbeiten und unsere Gesellschaft gestalten?
Das sind die Fragen der Fragen, die alle beschäftigen.
Klar, zuallererst muss die Politik auch dafür sorgen, dass …
die Hygienefaktoren stimmen, sprich dass sich Arbeit auch wieder lohnt – sprich die Lohnnebenkosten, Steuern und Sozialabgaben auf ein verträgliches Maß begrenzt werden. Nettoeinkommen müssen sehr, sehr deutlich über Sozial- & Transferleistungen (Arbeitslosengeld, etc.) liegen. Wenn das sichergestellt ist, können wir die Politik hier auch schon wieder aus ihrer Verantwortung entlassen. Alles andere ist, meiner Meinung nach, nicht ihre unmittelbare Aufgabe. Der (Arbeits)markt regelt den Rest – wenn man ihn lässt.
… aber ich sehe die Unternehmen in der Pflicht.
Wenn sich Produkte und Dienstleistungen nicht verkaufen, müssen Firmen ihre Angebote anpassen oder weiterentwickeln – sonst werden sie wirtschaftlich nicht überleben und müssen dichtmachen.
Die gleiche Logik gilt selbstverständlich auch für den Arbeitsmarkt. Wer zu wenig in Personalentwicklung und attraktive Arbeitsplätze investiert, braucht sich auch nicht wundern, wenn dann die Arbeitskräfte „streiken“ (oder fast noch schlimmer „Dienst nach Vorschrift“ machen).
Mehr als die Kunden, rücken also aktuell die Mitarbeiter in den Fokus der Geschäftsleitung.
Bemerkenswert ist, dass bereits 2010 Vineet Nayar, der ehemaliges CEO des indischen IT Dienstleisters HCL Technologies, ein Buch mit dem Titel „Employees First, Customers Second: Turning Conventional Management Upside Down“, veröffentlichte.
Indische Manager der Zeit voraus!?
Die Kernbotschaft dieses Buches ist, dass Unternehmen erfolgreicher sind, wenn sie sich zunächst auf die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter konzentrieren. Vineet Nayar argumentiert, dass glückliche und motivierte Mitarbeiter besser in der Lage sind, erstklassigen Kundenservice zu bieten. Daher schlägt er vor, dass Unternehmen ihre Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse und Anliegen ihrer Mitarbeiter richten sollten, um eine positive Unternehmenskultur zu schaffen, die letztendlich zu zufriedeneren Kunden führt.
Er beschreibt, wie er die Hierarchie auf den Kopf gestellt hat. Die Mitarbeiter rückten in den Mittelpunkt und die Führungsebene wurde als Dienstleister für die Mitarbeiter betrachtet – mit dem Ergebnis, dass Unternehmensleistung und Kundenzufriedenheit gesteigert werden.
Ich bin kein HCLTech- (so wie das Unternehmen heute heißt) Insider und kann daher nicht beurteilen, wie kongruent diese Strategie letztendlich umgesetzt wurde. Ich kann nur sagen, dass HCL heute mit einer Bewertung von 50 Milliarden Euro, nach TCS und Infosys das drittgrößte IT-Unternehmen Indiens ist und mehr fast 200.000 MitarbeiterInnen weltweit beschäftigt.
Employees First > New Work
Aus „Employees First“ wurde der Megatrend „New Work“.
Gerade kleinere Unternehmen haben beim Aufbau einer attraktiven Unternehmenskultur einen Vorteil und können sich als attraktive Arbeitgeber positionieren. Es liegt in der Natur der Sache, dass man als familiäre Struktur einfacher und authentischere menschliche Arbeitgebermarken aufbauen kann als ein Konzern. Das gelingt aber nur, wenn man den Mindset mitbringt, dass auch die Entwicklung von Personal und Unternehmenskultur eine legitime und rentable Investition in das Unternehmen ist, vergleichbar einer Investition in einen Maschinenpark oder Produktionshalle in der „Old Economy“.
Purpose, neue Arbeitsstrukturen, Work-Life-Blending & Kollaboration
Wer will nicht gerne in großartigen Unternehmen, an sinnstiftenden Projekten arbeiten und dabei jede Menge Spaß haben und Wertschätzung erhalten? Menschen haben einfach keinen Bock mehr auf Bürokratie, Firmenpolitik und Bullshit-Jobs.
Als Arbeitgeber ist es heute meine primäre Aufgabe eine attraktive Unternehmenskultur zu entwickeln, die auch so attraktiv, authentisch und einfach ist, dass diese auch von den anderen Führungskräften gelebt und weitergetragen wird. Wenn Mitarbeiter mit Begeisterung ihre Arbeit machen (können) und sich voll einbringen (wollen), wird sich der wirtschaftliche Erfolg von selbst einstellen.
Und dann werden auch all jene Menschen wieder in die „Werkshallen“ strömen, die es sich heute leisten, ihrer Leidenschaft brotlos als Hobby nachzugehen, anstatt ihre Passion wohl honoriert am Arbeitsplatz auszuleben.
Und was ist mit den Fachkräften aus dem Ausland?
Und jene Menschen, die dann immer noch fehlen, kann man dann selbstverständlich aus dem Ausland rekrutieren. Aber auch die Software-Ingenieurin aus Indien und der Busfahrer aus dem Kosovo werden relativ bald zu einem attraktiveren Arbeitgeber wechseln, wenn Arbeitsplatz und Unternehmenskultur nicht passen. Denn wir leben heute nicht mehr im (Neo)kolonialismus, sondern in einem Arbeitnehmermarkt. Und die (Verhandlungs)Macht der Arbeiternehmer, weltweit, wird in den kommenden Jahren wohl noch wesentlich stärker werden.
Daher lautet das Credo der Zukunft:
Arbeitgeber aller Länder, erneuert euch!
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