Ich bin seit mehr als 15 Jahren selbstständig tätig und, neben meiner Freelancer- und Beraterrolle, als Founder bzw. Co-Founder mit der einen oder anderen Geschäftsidee (erfolgreich) gescheitert. Darüber hinaus habe ich zahlreiche Gründer und Unternehmer aus meinem Netzwerk (in Europa und Indien) scheitern sehen.
Das an sich ist noch keine neue Information, denn bei Startups ist das Scheitern laut Statistik1 die Norm und der Erfolg eher die Ausnahme. Was allerdings all diesen „F***-ups“ gemein ist, ist der Grund für das Scheitern. Denn nach meiner Beobachtung scheitern so gut wie alle Unternehmensgründungen (zumindest meine eigenen) letztendlich an der Komplexität der Idee, beziehungsweise deren Umsetzung – und nicht an den oft genannten Gründen wie schlechte Finanzierung, mangelnde Skalierung, schwache Nachfrage oder schlechtes Management. Das sind meiner Meinung nach alles nur Symptome. Die wahre Ursache ist, dass das Business entweder zu komplex, oder zu kompliziert war2 – was mich zum Thema dieses Artikels führt: frugal business.
Unter „frugal“ mach ich kein Projekt mehr!
Ich habe also schon viel Lehrgeld bezahlt, sodass ich jetzt alle Geschäftsideen – egal ob eigene oder jene meiner Kunden – challenge, was deren Komplexität betrifft. Denn nur wenn das Geschäftskonzept radikal frugal ist, hat es meiner Meinung nach eine Chance auf Erfolg. Die Umsetzung (auch einfacher Ideen) an sich ist schon eine Herausforderung.
Frugalität ist daher mein unternehmerischer Kompass geworden. In dem ich mir zu jedem Zeitpunkt folgende Fragen stelle “Wie kann ich es das Produkt oder Konzept einfacher / natürlicher / intuitiver / kundenorientierter machen?” versuche ich stets Komplexität zu reduzieren und den Mehrwert zu erhöhen.
Was bedeutet frugal (Business) eigentlich?
Neben dem eigenen Scheitern war und ist Indien mein Lehrmeister was Frugal Business betrifft. Ich habe in diesem Blog schon vor über zehn Jahren öfter über, das damals neue Konzept, frugale Innovation geschrieben, weil es damals aus Indien kommend den wissenschaftlichen Diskurs in Europa erreichte.
Frugale Innovationen hängen eng mit den Begriffen Jugaad und Reverse Innovation zusammen. Typischerweise beziehen sich frugale Innovationen auf Emerging Markets wie Indien und beschreiben das Paradigma „more for less“ mit dem, ursprünglich Produkte für die „Base oft the Pyramid“ entwickelt werden sollten.
Meiner Meinung nach ist diese Definition aber zu eng gefasst. Die Prinzipien von frugal Business sind in allen Bereichen der Wirtschaft anwendbar. Sie sind die die Grundlage um einfache und anwendungsorientierte Produkt zu entwickeln, die relativ zum Preis, hohen Nutzen für den Endkunden aufweisen. Also value-for-money.
Warum frugal?
Frugale Innovation ist in Indien ein Muss und allgegenwärtig. Deren Prinzipien lassen sich dort also gut studieren und erlernen. Denn nirgendwo auf der Welt ist der Wettbewerb so gnadenlos wie in Indien. Der indische Markt verlangt value-for-money und ist somit die perfekte Benchmark, die Unternehmen zwingt, radikal einfache, skalierbare und günstige Produkte mit einen hohen Kundennutzen zu entwickeln.
Was wir in Indien als frugal kennenlernen, wird bei uns als disruptiv bezeichnet. Daher erfüllen meiner Meinung nach Neobanken, Budget-Fluglinien, Budget-Hotels, IKEA, Amazon etc. alle Merkmale von frugaler Innovation.
Die größten Hebel zum Erfolg …
… sind aus meiner Perspektive:
- radikale Kundenzentrierung, statt Overengineering,
- Technologieeinsatz, der deflationär wirkt,
- Geschäftsmodellinnovationen (Produkt wird zu einer Dienstleistung), sowie
- Friktionslose Prozesse & natürliche Strukturen.
Sowie sich die Werkstoffwissenschaft in der Natur immer öfter Inspiration für innovative Materialien sucht3, so nehme ich mir bei der Konzeptentwicklung (Business Planning, Vertriebskonzepte, Kooperationsvereinbarungen, Geschäftsmechanik und Prozessdesign) ebenfalls die Natur zum Vorbild, in dem ich mir diese Fragen stelle:
- Was wäre die natürlichste Weise einer Zusammenarbeit?
- Wie kann ich Synergien herstellen?
- Wie kann ich durch systemisches Denken Friktion aus dem System nehmen?
- Durch welchen Strukturen kann das Geschäftsmodell widerstandsfähiger werden?
- Wie können Macht-Status-Gefälle ausgeglichen werden, die wiederum zu Intransparenz und Energieverlust (auch monetär) führen?
Frugalität ist mein Polarstern
Ein Konzept, welches natürlichen Gesetzen folgt, verringert die Komplexität und erhöht damit die Erfolgschancen eines Unternehmens oder Projekts drastisch. Daher ist radikale Frugalität eines meiner zentralen Wertversprechen in allen Kundenprojekten – egal ob in Europa oder in Indien. Ich mache kein Projekt mehr, ohne mich radikal auf diesen Wert auszurichten – zum Nutzen meiner Kunden & Partner.
- https://hbr.org/2021/05/why-start-ups-fail ↩︎
- https://www.zdf.de/wissen/frag-den-lesch/komplex-oder-kompliziert—was-macht-den-unterschied-100.html ↩︎
- https://oe1.orf.at/programm/20211116/657268/Werkstoffinspirationen-aus-der-Natur ↩︎