Erleben wir mit der KTM Pleite den „Jaguar-Moment“ der österreichischen Industrie?

Die letzten Wochen brachten erschütternde Nachrichten für die österreichische Wirtschaft: Die KTM AG, Weltmarktführer, Aushängeschild des Industriestandorts Österreich und Lebenswerk von Paradeunternehmer Stefan Pierer, meldet Insolvenz an.

Die Gründe für den Niedergang? Eine Mischung aus schwacher Nachfrage in Kernmärkten wie Europa und den USA, steigenden Zinsen und Kostendruck in Österreich. Die viel diskutierten “ungünstigen Standortbedingungen” machten KTM zu einem Symptom für den Status quo der österreichischen Wirtschaft: teuer, überreguliert und zunehmend unattraktiv für produzierende Unternehmen.

Doch auch Managementfehler sind wohl Teil der Erklärung: Der Fokus auf Stückzahlen führte zu Überkapazitäten. Am Ende fehlten 650 Millionen Euro, um die Zahlungsfähigkeit zu sichern. Weder die Aktionäre noch die Banken waren bereit, diese Summe bereitzustellen – die Insolvenz wurde zur unvermeidlichen Konsequenz.

Die Zukunft von KTM: Ein indisches Unternehmen?

Was jedoch sicher scheint: KTM wird nicht verschwinden. Die Marke und die Assets des Unternehmens sind wertvoll, und ein Neustart – in abgespeckter Form – ist so gut wie sicher.

Meiner Meinung nach könnte der bisherige indische Partner Bajaj Auto Ltd eine wichtige Rolle spielen. Bajaj, ein führender Hersteller von Zweirädern und dreirädrigen Nutzfahrzeugen, produziert jährlich über sieben Millionen Fahrzeuge. Bisher hielt Bajaj etwa 37 % an KTM – indirekt über die Pierer Mobility AG und die Pierer Bajaj AG. Die finanziellen Mittel der Bajaj-Industriellenfamilie (die laut Forbes etwa 25 Milliarden USD schwer und damit unter den zehn reichsten Familien Indiens) übersteigen die von Stefan Pierer, dem bisherigen dominanten Aktionär, bei weitem.

Nach der Insolvenz könnte Bajaj die Chance nutzen, die Mehrheit der KTM zu übernehmen. Damit wäre die österreichische Motorradschmiede faktisch ein indisches Unternehmen – mit weitreichenden Konsequenzen: Eine Verlagerung signifikanter Wertschöpfungsanteile nach Indien könnte die Kostenstruktur drastisch verbessern und KTM langfristig stärken.

Die Ironie der Geschichte

Sollte es so kommen, wäre das eine Ironie der Geschichte. Ende der 1980er-Jahre verkaufte Steyr-Daimler-Puch die Produktionslinie für das Puch Maxi an das indische Unternehmen Hero Motors. Damals war Indien noch froh über ausrangierte Technologie aus Österreich. Heute sieht die Welt anders aus: Indien ist längst ein globaler Wirtschaftsgigant, der nicht nur Märkte erobert, sondern auch Unternehmen wie KTM „retten“ könnte.

Die Parallelen zur Übernahme von Jaguar durch Tata Motors in Großbritannien drängen sich auf. Auch dort rettete ein indisches Unternehmen eine traditionsreiche Marke und führte sie zu neuem Glanz. Ob KTM das gleiche Schicksal ereilt, bleibt abzuwarten.

Die nächsten Wochenwerden zeigen, ob Rajiv Bajaj tatsächlich das Steuer übernimmt und KTM ein indisches Unternehmen wird. Sollte es so kommen, wäre das ein weiterer Beweis dafür, wie sehr sich die globalen Machtverhältnisse verschieben.

Foto Credit: Bajaj

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von

Wolfgang Bergthaler