Die letzten drei Jahre beschäftigte ich mich quasi täglich mehrere Stunden mit „Business in Indien“. Wer mich kennt, weiß, dass ich ziemlich umtriebig bin in dieser Szene. Ich besuche fast alle Veranstaltungen und organisiere selbst immer wieder Events, die sich um indische Wirtschaft drehen, beobachte täglich die Medien und spreche regelmäßig mit sehr vielen Unternehmern, die in Indien aktiv sind, beziehungsweise werden wollen. Besonders interessiert beobachte ich österreichische/deutsche Unternehmen bei ihren (ersten) Schritten in Indien. Dabei konnte ich folgende Gründe identifizieren, woran Unternehmen in Indien scheitern.
Meiner Ansicht nach lautet das Ranking wie folgt:
- Kein Produkt für den indischen Markt: Das gilt insbesondere für den Konsumgüterbereich. Die indischen Kundenbedürfnisse unterscheiden sich zu sehr von den europäischen. Aber auch im Investitionsgüterbereich bedarf es massiver Produktanpassungen. Export der bestehenden Produktlinien funktioniert nicht (mehr). Wer nach Indien kommt um Garagentore zu verkaufen, ist hier leider falsch. (siehe Artikel “Geiz ist geil”)
- Kommunikations-Schwierigkeiten: Obwohl ja alle durch interkulturelle Trainings so gut vorbereitet sind, klappt die Kommunikation zwischen indischen Lieferanten und europäischen Kunden selten. Wir sind es gewohnt einmal die Anforderungen abzuklären und dann am Ende das fertige Produkt abzunehmen. Zusammenarbeit mit Indien bedarf aber täglicher Kommunikation und enger Abstimmung à la “Salami Taktik”. Nicht weil es die Inder nicht verstehen, sondern weil man hier enger führt. Das gleiche gilt für indische Angestellte. (siehe Artikel Arbeiten auf indisch)
- Keine Marktkenntnis: Die wenigsten Unternehmen haben eine Ahnung, wie der indische Markt und seine Teilnehmer funktionieren und was die Kunden hier wirklich wollen. Das rächt sich insbesondere bei der Markenkommunikation und beim Vertrieb. Ich nenne es das „pre-formed ideas“-Syndrom: Firmen kommen mit genauen Vorstellungen nach Indien und studieren den Markt zu wenig
. Nur weil ein Produkt oder Geschäftsmodell in Osteuropa oder China funktioniert hat, muss es nicht automatisch auch in Indien klappen!
- Finanzierung/zu wenig Kapitaleinsatz: Große Unternehmen tun sich in Indien vergleichsweise leicht. Durch FDI (Foreign Direct Investments) wird die neue indische Gesellschaft entsprechend mit Kapital ausgestattet. Damit wird der Unternehmensaufbau finanziert und Produkte speziell für den indischen Markt entwickelt. Unternehmen, die nur (ihre vorhandenen Produkte) nach Indien exportieren wollen oder ein Lizenzabkommen anstreben, kommen meist nicht vom Fleck. Ohne ausreichend finanzielle Ressourcen ist Indien wohl nicht zu „erobern“. Der Geschäftsaufbau in Indien ist definitiv nicht günstig, er braucht maximalen Ressourceneinsatz.
- No Business Sense, sowie schlechte Verhandlungstechnik: Inder sind durch und durch Unternehmer. Ihr Geschäftssinn ist sprichwörtlich. Auch beim Verhandeln werden die Europäer gegen Inder immer das Nachsehen haben. Siehe auch Kommentar “Als Entrepreneur wiedergeboren“
- Kurzfristiges Denken / falscher Zeitpunkt: In Indien muss man zur richtigen Zeit mit dem richtigen Produkt zum richtigen (günstigen) Preis am richtigen Ort sein. Das heißt aber auch, dass man entsprechend vorbereitet sein muss. Wer in Indien einmal seinen Vorsprung verspielt hat, wird das nicht mehr aufholen. Der Markt verzeiht hier keine Fehler und Verzögerungen. Ein (neuer) Konkurrent wird die Lücke sofort schließen. „Quick Wins“ sind hier keine zu erwarten.
- Falsche (Geschäfts-)Partnerwahl: In Indien ist die Bandbreite an Qualität und Auswahl möglicher Geschäftspartner unendlich groß. Inder sind Spezialisten im Marketing und Verkauf sowie bei Kommunikation und Beziehungsaufbau. Da kann man sich schnell mal von der Verführungskunst der Inder blenden lassen. Situationen und Menschen in Indien richtig einzuschätzen bedarf extrem viel Erfahrung. Vertrauen ist gut, Hinterfragen ist besser. Und ein „Plan B“ schadet auch nicht.
Ich weiß, dass ich nichts weiß
Diese Punkte basieren nicht nur auf Beobachtungen Anderer. Ich selbst musste / durfte in den letzten drei Jahren all das selbst am eigenen Leib lernen. Inzwischen verbrachte ich bestimmt schon wieder mehr als sieben Monate in Indien und konnte in dutzenden Projekten, hunderten Gesprächen und tausenden Beobachtungen all das lernen, was ich versuche auf www.indische-wirtschaft.de mit unseren Lesern zu teilen.
Ich weiß aber auch, dass mich Indien noch mehrere Jahrzehnte beschäftigen wird, um diese unglaublich komplexe und unendlich faszinierende Kultur zu verstehen und somit den Markt und seine Kunden.
(Kommentar von Wolfgang Bergthaler)
Wolfgang Bergthaler ist Co-Founder von Indische-Wirtschaft.de. Auf diesen Blog schreibt er regelmäßig über seine Erfahrungen über Business in Indien. Wolfgang lebt derzeit in Indien, wo er mit/für zahlreiche Start-ups arbeitet, u.a. www.yourStory.in, Indiens führendes Entrepreneurship-Portal. Er ist Experte, Entrepreneur und Projektmanager für/in Indien. office@mayaindia.at, http://twitter.com/indwirtschaft
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